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Panchakarma-Kur in Kerala

Jan 0
geschätzte Lesedauer: 9 Minuten

Eine Panchakarma-Kur in Indien klingt wie ein Wellness-Trip. Ist es aber nicht. Außerdem stehen 14 Tage ohne Internet bevor. Wie wird das werden, so mal 14 Tage nichts zu tun? Die Bilder in dem Beitrag sind fast alle von unseren Morgenspaziergängen.

Wie verstehe ich Ayurveda?

Ayurveda ist für mich die indische Version der Hausmedizin. So wie man hierzulande bei Heiserkeit Milch mit Honig oder eine heiße Zitrone trinkt, gibt es in Indien Ayurveda. Nur das es viel umfassender ist und sich auf Körper und Geist erstreckt.

Ich bin da schon sehr skeptisch, wenn ich „Energieflüsse“ höre, bin aber auch der Meinung, dass die Schulmedizin doch gern auf Symptombekämpfung statt Ursachenfindung abzielt. Um zu verdeutlichen, was ich meine, zitiere ich mal einen Spruch, der im Speisesaal hing.

Wenn du dich falsch ernährst, ist Medizin wirkungslos.

Wenn du dich richtig ernährst, ist keine Medizin notwendig.

Muss man nicht diskutieren, dass wir viel zu wenig den Einfluss von industriell gefertigtem Essen in seiner Langzeitwirkung auf den menschlichen Körper kennen. Es gibt für deutsche Haushalte die Empfehlungen der Deutschen Gesellschaft für Ernährung, aber die ist auch eher eine Richtlinie und und ist wenig individuell. Kurz gesagt geht es bei Ayurveda um den einzelnen Menschen und was für ihn gut ist.

Sonnenaufgang über einem See mit Brücke

Es gibt da auch viel Theorie dazu, was ziemlich esoterisch anmuten mag, aber in meiner Interpretation ist es so, als würde man einem Menschen vor hundert Jahren beibringen, am Laptop auf E-Mails zu antworten. Für seine Vorstellung schickt er Nachrichten durch den Äther, die er in eine Plastikzeitung schreibt. Der weiß nicht, was WLAN und LCD bedeutet. Und so sehe ich Ayurveda auch – es fehlt(e) das wissenschaftliche Verständnis, aber das Handeln ist richtig.

Die Doshas

Denn laut Ayurveda ist kein Mensch gleich. Jeder ist mit einer einzigartigen Mischung der drei Doshas Vatha, Pitha und Kapha zusammengestellt. In einem Vortrag beschrieb der Arzt die Dosha wie folgt:

  • Vatha: symbolisiert durch die Krähe. Die Krähe hockt sich auf einen Ast „Krah!“ und springt zum nächsten Ast, wieder „Krah!“. Und das immer in der Gruppe. Der Vatha-Typ redet gern, ist gesellig, aber in seinem Denken und Handeln unstet. Wenn Vatha gereizt wird, explodiert der Vatha-Typ sofort, ist aber auch umgehend wieder beruhigt. Dafür ist der Vatha-Typ ein Kümmerer. Familie, Freunde, Bekannte haben ein Problem? Vatha kümmert sich! Vatha ist meistens schlank und friert leicht, weswegen Vatha die Wärme sucht.
  • Pitha: symbolisiert durch den Tiger. Der Tiger hat Hunger, also geht er zielstrebig los und besorgt sich Nahrung. Pitha-Typen sich Macher. Sie lieben das Aufstellen von Plänen und Regeln und gleichzeitig das Befolgen der Regeln. Pitha wird schnell ärgerlich, wenn diese Pläne gestört werden. Außerdem liebt Pitha einen guten Schlaf. Er muss nicht lang sein, aber gut. Ein unausgeschlafener Pitha ist schwer zu ertragen. Pitha-Typen ist eine gute Verdauung zu eigen. Sie verdauen alles. Eine halbe Stunde vorm Schlafen gehen noch ein Whopper-Menü reindrehen – für Pitha kein Problem. Deswegen muss Pitha aufpassen, denn die gute Verdauung kann schnell in Übergewicht umschlagen. Dieses innere Feuer sorgt auch dafür, dass warmes und feuchtes Klima ein Graus für Pitha ist.
  • Kapha: symbolisiert durch den Elefant. Langsam und geduldig. Sport machen? Vielleicht doch lieber nächste Woche? Kapha ist vom Körperbau eher massiv. Kaphas sind gute Zuhörer und können sich Dinge lange merken. Schon mal einen Elefanten geärgert? Es dauert eine Weile, bis man durch die dicke Haut gedrungen ist, aber dann sollte man die Flucht ergreifen. Obwohl Kaphas einen massiven Körperbau haben, brauchen sie nicht viel essen. Im Gegenteil, der Kapha-Typ legt schnell Gewicht zu, wird es aber schwer wieder los.
Meditationshalle mit Sonnenlicht am Morgen

Wie lief unsere Kur ab?

Eigentlich wollten wir die 14 Tage an einem Ort bleiben. Aber um den Jahreswechsel hatte die Ayurveda-Klinik Hochbetrieb und deswegen mussten wir uns aufteilen. Eine Woche im Familienbetrieb, die zweite Woche in der Natur.

Ayurveda legt Wert auf einen geregelten Tagesablauf. Zeitig aufstehen, geregelte Essenszeiten, eine Behandlung vormittags, eine nachmittags, dazwischen noch eine ärztliche Konsultation und vor 22 Uhr ins Bett. Eigentlich ziemlich simpel. Während der Kur sollte man sich ein bisschen von schlechten Angewohnheiten trennen, wie z.B. die ständige Verfügbarkeit von Internet, Ausflüge, bei denen man „etwas genießt“ oder Plaudern beim Essen. Außerdem sollte man darauf achten, tagsüber nicht zu schlafen.

Warum? Wie oft passiert es, dass wir am Handy daddeln, während wir essen? Oder beim Fernsehen snacken? Körper und Geist sollten eigentlich darauf fokussiert sein, dass man gerade Nahrung zu sich nimmt. Deswegen passiert es nicht selten, dass man eine Stunde später schon wieder Appetit hat, obwohl man eigentlich satt ist.

Natürlich wird das in der Klinik nicht forciert, aber es ist erwünscht. Deswegen sind wir etwas verwundert, als wir den ersten Abend in den Speiseraum kommen und dort eine Akustik ist, wie am Strandhotel. Leider sind die Plätze mit Namenskärtchen versehen, sodass wir keine Ruhe haben. Und dann wird dort lautstark erzählt, dass man am Nachmittag mit dem Tuktuk in ein Café gefahren ist, um einen Kaffee zu trinken. Komplett am Ziel der Behandlung vorbei und diese Leute kommen jedes Jahr dahin und diskutieren dann die Hintergründe von Ayurveda. Germany in a nutshell.

Unsere Kur teilte sich in vier Teile auf:

  • Ankommen
  • Vorbereitung
  • Reinigung
  • Heilung

Ankommen im Ayurveda

Wir werden abgeholt und in die Klinik gebracht. Klinik nicht im deutschen Sinne, sondern eher wie gemütliche Zimmer im Grünen mit viel Schatten. Bei 35°C am Tag lässt es sich so bequem draußen aushalten. Am frühen Nachmittag kommen wir an. Es gibt eine herzliche Begrüßung der Ärztinnen, die freundlich den allgemeinen Ablauf erklären und uns herumführen.

Noch am Nachmittag haben wir eine entspannende Fußmassage. Anschließend gibt es das Aufnahmegespräch. Welche Probleme hat man? Welche davon sollten mit Priorität angegangen werden? Blutdruck und Gewicht werden gemessen und dann können wir zum Abendessen gehen.

In der ersten Woche sieht unser Zeitplan so aus:

  • 6:15 Uhr: Es klopft an der Tür, es wird einem etwas in die Haare geschmiert, was beruhigend ist und gegen die Hitze helfen soll
  • 6:30 Uhr: eine Stunde Morgen-Yoga
  • 8 Uhr: Frühstück
  • Vormittags: Arztkonsultation, Behandlung
  • 11 Uhr: gepresster Saft oder eine Kokosnuss
  • 12:30 Uhr: Mittagessen
  • Nachmittags: Behandlung
  • 16 Uhr: Obst und Tee
  • 17.30 Uhr: eine halbe Stunde Stretching
  • 18.30 Uhr: Abendessen

Am ersten Tag bekomme ich eine Ölmassage. Genau das Richtig für mich! Draußen sind 30°C und ich werde mit warmem Öl eingerieben. Bei Kriszta das Gegenteil – sie wird mit warmem Wasser begossen, wobei sie durch die Verdunstungskälte friert. Wir sagen das bei der nächsten Konsultation und jeder bekommt die Behandlung des anderen.

Die Arztkonsultationen laufen immer nach dem gleichen Schema ab: Wie geht es dir heute? Wie hast du geschlafen? Wie war dein Stuhlgang? Blutdruck messen, Zunge anschauen, in die Augen sehen, Puls fühlen.

Also gibt es für mich die nächsten drei Tage vormittags das Abspülen mit warmem Wasser und nachmittags eine Rücken-/Nackenmassage und anschließend Nasentropfen. Die Nasentropfen sollen gegen meine Kopfschmerzen helfen.

Vorbereitung

Nachdem wir uns eingewöhnt haben, beginnt die eigentliche Behandlung. Fünf Tage lang bekommt man Ghee zu trinken. Ghee ist geklärte Butter, die in diesem Fall zusammen mit heißem Wasser getrunken wird. In meinem Fall gibt es das Ghee um 17 Uhr, bei Kriszta ist es morgens um 8 Uhr. Parallel dazu wird auch die Ernährung umgestellt. Durfte man bisher alles essen, ist die nächste Mahlzeit nach dem Ghee eingeschränkt. Für mich gibt es abends nur noch Suppe, Kriszta muss das Frühstück auf 10 Uhr verschieben, was kompliziert wird durch die Behandlungen am Vormittag.

Bei mir wird nachmittags auf einen Stirnguss umgestellt. Ich wusste nicht, dass es so etwas gibt. Natürlich wusste ich von den Stirngüssen, aber die Wirkung ist unglaublich. Das Wasser rieselt auf meine Stirn, ein Gedanke taucht auf und wird auf einmal zu einer richtigen Geschichte, die ich wie einen Film erlebe, in voller Komplexität. Nebenbei höre ich, wie der Behandler mit den Utensilien klappert. Schnarcht da jemand? Ach so, meine Nase ist zu. Schnell mal schlucken, damit sich der Druck verteilt. Ein wirrer Trip, der ungefähr eine halbe Stunde dauert.

Drei Tage später ziehen wir ins andere Resort um. Wir nehmen noch beide Behandlungen mit und fahren dann los. Nach einer guten Stunde sind wir da. Es gibt ein paar kleine Häuser, eins davon beziehen wir. Ein paar Minuten nach uns macht auch ein französisches Ehepaar los. Es stellt sich heraus, dass unsere Häuser verwechselt wurden und wir müssen noch mal umziehen. Ich bekomme mein Ghee heute kurz vorm Schlafen gehen.

Die nächsten beiden Tagen laufen etwas schief. Die Organisation hier läuft nicht so superglatt ab. Wir müssen an den ersten beiden Tagen unseren Medikamenten hinterherlaufen. Das ist dem Umzug geschuldet und dass die Küche unseren Plan nicht mitbekommen hat. Außerdem ist das Essen doch etwas spartanisch. Wir haben einen leicht veränderten Tagesablauf:

  • 6:15 Uhr: Morgenspaziergang (eine Stunde und mehr)
  • 8 Uhr: Frühstück
  • Vormittags: Arztkonsultation, Behandlung
  • 11 Uhr: gepresster Saft
  • 12:30 Uhr: Mittagessen
  • Nachmittags: Behandlung
  • 16 Uhr: Obst und Tee
  • 17.30 Uhr: Yoga
  • 18.30 Uhr: Abendessen

Die Yogastunde am Abend nehme ich mit gemischten Gefühlen auf. Auf der einen Seite ist es früh immer noch sehr frisch gewesen, andererseits ist es nachmittags noch brutal heiß, auch wenn dann gerade die Sonne untergeht und ein leichter Wind aufkommt.

Ich werde hier auf Stirnguss mit Öl umgestellt. Mein erster Trip wird wild. Es ist, als wächst mir ein Bleistift aus dem Kopf. Und ich vertrage das Öl gar nicht gut. Ich komme aus der Behandlung und eine halbe Stunde später bin ich so gereizt, dass ich um mich Beißen könnte. Wir sprechen das bei den Ärzten an, die wollen aber die Behandlung nicht ändern.

Am Tag vor der Reinigung gibt es am Vormittag nur eine Nackenmassage und danach werde ich in den Schwitzkasten gesetzt. Ich genieße den heißen Kräuterdampf und muss etwas betteln, damit ich noch ein paar Minuten länger darin sitzen darf. An dem Tag soll ich nur sehr wenig essen, da am nächsten Tag abführen soll. Beim Heilfasten wird das auch gemacht, der Entlastungstag.

Reinigung

Nach 5 Tagen Ghee kommt der Reinigungstag. Mit Hilfe des Ghee sollen jetzt alle Giftstoffe eingesammelt sein, die jetzt abgeführt werden. Am Abend zuvor bekomme ich eine Mischung hingestellt, die ich am nächsten Morgen um 5 Uhr trinken soll.

Man soll das Getränk wohl dosiert trinken, nicht auf ex. Es dauert ungefähr 1,5 Stunden, dann geht die Rennerei los. Laut Plan soll ich alle halbe Stunde ein Glas warmes Wasser trinken. Zusätzlich wird mit jede Stunde eine kleine Kanne mit Tee gebracht. Gegen 10 Uhr ist alles vorbei. Mittags gibt es Reissuppe mit Gemüse und abends auch nur Suppe. Ich kann es kaum erwarten wieder richtig zu essen.

Heilung

Nach dem Abführen hören die Stirngüsse auf. Es gibt nur noch allgemeine Ölmassagen und Rückenmassagen. Der Körper ist jetzt laut Ayurveda im Heilungsmodus und kann sich selbst reparieren. Meine Ernährung wird wieder auf normal umgestellt, ich halte mich aber am ersten Tag noch zurück.

Da wir jetzt nur noch 2-3 Tage übrig haben, machen wir unsere eigenen Morgenspaziergänge. Es ist zwar fast der selbe Weg jeden Morgen, dennoch ist jeder Sonnenaufgang anders und trotzdem wunderschön.

Im Grunde sind wir jetzt gereinigt, aber wie geht es weiter? Wir haben am Tag vor der Abreise unser Abschlussgespräch. Uns werden unsere Doshas vorgestellt und es gibt einen Ernährungsplan. Da steht drauf in einer Bewertungsskala von sehr gut, gut, weniger gut und schlecht, welche Lebensmittel für uns geeignet sind und welche nicht.

Dazu gibt es einen Hinweiszettel, wie es weiter geht. Denn die Behandlung hört nicht mit dem Verlassen der Klinik auf. Es wird empfohlen, die Diät noch 14 Tage nach Rückkehr fortzusetzen gegebenenfalls sogar 3 mal so lang, wie die ursprüngliche Kur war. Keine großen körperlichen Anstrengungen, Ruhe suchen und immer reflektieren, was mit einem passiert.

Das macht die Rückreise natürlich etwas kompliziert. Wir fliegen zwar mit Qatar, aber die hat einen Code Share mit einer indischen Billigfluglinie und dort gibt es nur ein Sandwich. Die gehören definitiv nicht auf den Speiseplan, aber sonst wird es nichts anderes geben.

Zuhause

Wir haben im Koffer viele Gewürze, die wir in der Zeit in Indien gekauft haben. Deswegen stehen wir jetzt jeden Tag gemeinsam in der Küche, dünsten Gemüse, rühren Currys an, kochen Reis. Das macht nicht nur Spaß, sondern schmeckt auch lecker. Krönung ist ein Palak Paneer, den wir komplett selbst machen. Vom rohen Spinat über die Milch, die wir zu Paneer verarbeiten. Klingt aufwendig, aber insgesamt haben wir nicht länger als eine Stunde in der Küche gestanden.

Der positive Nebeneffekt ist der Gewichtsverlust. Durch die Vorweihnachtszeit habe doch ziemlich zugelegt. Schon allein bei der Kur sind fünf Kilogramm davon wieder verschwunden. Nachdem wir zuhause waren, ging das Abnehmen konsequent weiter.

Außerdem musste ich andere positive Nebeneffekte feststellen. Trinken. Vorher habe ich gerne so 2 bis 3 Tassen Kaffee am Tag getrunken. Statt Kaffee wollte mir mein Körper aber vermutlich etwas anderes sagen: Warmes Getränk. Nicht selten steht eine Tasse Tee vor mir. Erst trinke ich sie nicht, weil der Tee zu heiß ist und später trinke ich ihn nicht, weil er kalt ist. Seit wir zurück sind, steht nur noch eine Kanne mit heißem Wasser neben mir. Und das Wasser wird dann mit Leitungswasser so gemischt, dass es sofort trinkbar ist. Wo ich vorher eine Kanne Tee tagelang neben mir stehen hatte, trinke ich jetzt mehr als 2 Kannen pro Tag.

Durch die Kur haben wir auch unsere Ernährung umgestellt. Die Betreiber der Klinik haben ein kleines Kochbuch veröffentlicht und auch regelmäßig Kochkurse veranstaltet. Fast alle Rezepte in dem Buch sind vegetarisch oder auch vegan. Es muss auch nicht immer Fleisch sein. Ein schön gewürztes Curry mit Reis schmeckt lecker und macht satt.

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