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Montagsentgleisung

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Ich genieße den Morgen, nichts ist angenehmer als bei einer Tasse Kaffee aus dem Fenster zu blicken, Musik zu hören und noch etwas zu lesen. Erst heute Morgen bin ich mit der Aprilausgabe der NEON fertig geworden. Jeder, der mich fragt, was ich da lese, bekommt als Antwort, dass dies die Zeitung für den niederen Geist ist und rein der Unterhaltung dient. Gut, so mancher Artikel zwingt mich doch zum Nachdenken, schafft es aber kaum über die nächsten 10 Seiten zu bestehen, da er dann schon wieder im Farbrausch der Werbeseiten untergegangen ist. Genauere Informationen dazu oder vehementes Widersprechen blieben bis dato aus.

In einer Seitenleiste stolperte ich jedoch über einen Namen, der bei mir noch gut aus der letzten de:bug hängen geblieben ist. Für einen kurzen Moment hielt ich inne und versuchte die Zielgruppe dieser Zeitung zu erfassen, die sich mir aus Design, Inhalt und sprachlicher Fassung erschloss. Die Themengebiete sind weit gefasst, Politik darf natürlich nicht fehlen, als kleine Tochter des Stern verständlich. Wenn ich gerade die letzten Hefte Revue passieren lassen, fällt mir auf, dass sich die Politik doch mehr auf den internationalen Bereich beschränkt oder wenn schon national, dann werden die Menschen dieses Landes beleuchtet – die „Generation Praktikum“. Und diese erheben ihre Stimme im Onlineportal und werden daraus für die Printausgabe rekrutiert. Ein gutes Prinzip – die Leser erstellen ihre eigene Zeitung. Printmedium 2.0?

Nur wenn jetzt zur gefühlten 10. Ausgabe ein mehrseitiger Artikel erscheint, in dem sich Studenten bzw. Praktikanten ausweinen, ihren Eltern auf der Tasche zu liegen und nun das 73. kostenlose Praktikum anzutreten, frage ich mich ernsthaft, ob es sich da um Problem in der Wirtschaft handelt. Man kann diesen Fakt aber mit einem Lächeln überspielen, denn 40 Seiten später ist garantiert der nächste Reisebericht aus einer der Weltmetropolen oder der Bericht eines Aussiedlers, der auf einer einsamen Insel lebt, die er von einem Vermögen erstanden hat. Und wenn nicht innerhalb einer Ausgabe widersprüchliche Artikel auftauchen, passiert es garantiert in einem der nächsten Hefte. Also mache ich mir einen Spaß daraus, den Schwachpunkt eines Artikels oder einer Argumentation zu finden, um der Zeitschrift einen unterhaltsamen Faktor abzuringen.

Und so zeichnet sich ein interessantes Bild einer Zwischenschicht ab, mit einem offenen Auge für die Probleme der Welt, einer Hand, diese Probleme zu adressieren, aber beide verstecken sich hinter einer angenehmen „Bloß gut, dass ich es nicht bin“-Mentalität. Und diese Mittelmäßigkeit zieht sich – von Filmen, Musik und Büchern, die nur nicht zu kommerziell sein dürfen, bis hin zu den Artikeln. Sie dürfen schon mal Tiefgang erreichen, aber den Leser nicht zu sehr beanspruchen und um Gottes Willen nicht Bildzeitungsniveau erreichen. Oder um es musikalisch auszudrücken, der Vermischung von Indie und Kommerz.

Und so steh ich nun an der Grenze meiner Toleranzschwelle und schau ins Dunkel und frage mich, ob sie ein Licht brauchen. Ist es zielsicheres Umherirren oder verzweifeltes Finden? Vorhin saß ich in der Wanne, lass die letzten beiden Ausgaben der Intro und stolperte in einem Artikel zum Thema „Dubstep“ über den Satz „Wie immer im Bereich ‚Elektronik‘ hatte die de:bug den Sound zu diesem Zeitpunkt schon längst vorgestellt.“ Moment mal, ich lese ein Musikmagazin, dass schamlos Werbung für ein anderes macht. „Nimm du das Licht, ich bin zu doof, die Fackel zu halten.“ Schön und gut, die Intro ist kostenlos und damit frei von jeglichem Konkurrenzdenken, sollte sie nicht aber trotz alledem versuchen, auch mal ein offenes Ohr für neue Dinge zu haben? Lob, Schuldgeständnis und -ablehnung in einem Satz. „Wegen der Glühlampe – schön, dass ihr sie erfunden habt, können wir sie auch mal haben? Wir haben sonst nur Fackeln, aber die sind gerade aus.“ Und wieder merke ich, wie ich durch den Schlamm wate, der mittlerweile knietief ist und befürchte, irgendwann steht er mir bis zum Hals. Das wird der Zeitpunkt sein, wo man Dieter Bohlen und Dominik Eulberg gut findet und sich dafür nicht mal rechtfertigen muss. Für ein besseres Morgen!

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