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Merkwürden beliebten abwesend zu sein

Jan 0
geschätzte Lesedauer: 4 Minuten

oder

Höchst fälliges Update zum Wochenende

Freitag ging es wie geplant wieder mal Richtung Heimat, die Autobahn war frei und ich konnte bei meiner Klimaanlage binär zwischen Gefrierbrand und knusprig braun hin- und herschalten. Ich sprach noch mit meinen Eltern den nächsten Tag durch und verkrümelte mich dann, um noch etwas zu lesen bzw. Musik zu hören. Den nächsten Tag besuchten wir meine Oma im Krankenhaus und auf dem Hinweg witzelte ich noch etwas, als wir an der Klinik für Nuklearmedizin vorbeigingen und ich mir vorstellte, wie man dort Atome behandelt und dann mit piepsiger Stimme sagte: „Aua, aua, ich hab mir ein Elektron gestoßen!“. Meine Mutter spielte mit und sagte mit tiefer Stimme: „Kein Problem, das bekommt ’nen Gips!“ Wir lachten und gingen weiter.

Als wir in der Neurochirurgie ankamen, war mir nicht mehr nach Lachen zumute. Die alte, kleine Frau in dem großen Krankenbett hatte nur noch wenig Ähnlichkeit mit meiner Oma. Sie sprach leise, verwechselte Begriffe, was laut Arzt vom Parkinson kommt. Da ich sie jetzt das erste Mal seit ihrer Einweisung sah, konnte ich mich nur auf den Fakt verlassen, dass es ihr schon wieder viel besser geht. Während meine Mutter eine Vase für die Blumen holte, erzählte ich ihr von der Fahrt, was ich die ganze Zeit so mache und dass ich morgen nochmal vorbeikäme, also leichte Unterhaltung. Wir blieben noch eine Weile und fuhren dann wieder heim.

Nach dem Essen holte ich mir Sonnencreme und fuhr baden. Dort hatte ich genügend Zeit, die Seele baumeln zu lassen und Musik zu hören. Abends ging es dann zu Sabine und den anderen Leute vom Squash, um zu grillen. Zu meinem Glück fing es genau mit regnen an, als ich losfuhr. Leider machte der Regen auch keine Pause, als ich ankam. Ich wartete noch eine Viertelstunde im Auto und als Ludger kam, sprang ich auch aus dem Auto. Wenige Minuten später hörte es auf. Es gab erstmal ein großes Hallo, denn alle kamen mit Frau/Freund und Kindern an… naja, bis auf eine Ausnahme. Ich mußte ja wieder mal unangenehm auffallen. Ich entdeckte an Sabines Kühlschrank eine Postkarte, von der ich meinte „Die könnte ich grad gebrauchen!“ – Glück für mich, denn Sabine hatte sie doppelt.

Ich brauche keinen Sex…

Ich feuerte den Grill an und versorgte alle mit Essen. Wir aßen, tranken, erzählten und lachten. Gegen 22 Uhr verschwanden dann fast alle – der Kinder wegen. Sabines Freund verschwand dann auch, ihre Kleine schlief, also konnten wir in aller Ruhe quatschen. Als es dann doch kühl wurde und mir fast die Augen zufielen, stellte ich fest, dass die Zeit verdammt schnell vergangen war und verkrümelte ich mich auch heim.

Den Vormittag des Sonntags lasse ich mal lieber aus, meine Gedanken fingen an, etwas Amok zu laufen. Also spring ich mal auf die Stelle vor, wo ich nach dem Essen meine Sachen packte, ich mich von den Eltern verabschiedete und nochmal ins Krankenhaus fuhr, um Oma zu besuchen. Sie schlief gerade, also lief ich eine Runde und kam später noch einmal vorbei. Ich weckte sie und anfangs war sie noch etwas verwirrt, was sich aber schnell gab. Wir unterhielten uns noch etwas, ich baute sie auf und meinte, dass sie zu ihrem Geburtstag wieder auf den Beinen ist (ca. in einem Monat). Wie ich gestern von meinen Eltern erfuhr, wurde sie gestern in die Reha-Klinik verlegt und fragte dann ganz besorgt, ob sie jetzt ihren Geburtstag verpasst hat. Herrje, da hab ich ja wieder was angerichtet…

Ich hatte gestern und heute ganz ordentlich zu tun und als ich heute heimkam, sah ich einen Umschlag im Briefkasten leuchten. Ich erwartete doch nichts?! Als ich den Briefkasten öffnete, prangte mein Name, in großen Buchstaben mit schwarzem Filzstift geschrieben, auf dem Umschlag. Die Schrift sah nach einer sympathischen Frau aus. Ich puzzelte – eine sympathische Frau, die mir was schickt, von dem ich nichts weiß? Ausgeschlossen, kenn ich nicht. Irgendwas mußte ich vergessen haben. Ein Blick auf die Rückseite verriet mir, von wem der Umschlag war: Bobo. Stimmt, da war ja noch was. Aber ich hatte wenigstens Recht behalten. Ich sprang fix durch alle Titel der CD und am Ende summte ihre Stimme ein Lied in meinem Kopf, das wohl fehlte. Ich hatte es aber garantiert auf der „Limited Tour Edition“ gehört. Da war es wieder und es befand sich auch auf dem Album… Overflow…

What is love, if you don’t even show it?
anyway, I was waiting far too long
alarmed, aroused from sleep
armed with facts and figures
I knew it was over

and it has to be over
has to be changed
over
and changed

Die Frau weiß, worum es geht. Auffällig nur, dass sie gegenüber dem dem Text im Booklet auf der „Limited Tour Edition“ and it seems to be over und auf der „Mental radio“ and it must be over singt. Ich verzog mich vorhin mit meinem neuen Buch in die Wanne und stieß auf folgenden Satz…

„Ich will lediglich nahelegen, dass wir an diesem besonders unglücklichen, verkrachten, gottlosen Punkt der Zivilisationsgeschichte nicht die edleren Manifestationen der Menschen aus den Augen verlieren sollten, die nicht aus Taglines und Kontensalden bestehen, sondern aus Liebe, Heldentum, Großzügigkeit, Ekstase, Güte und Wahrheit.“

Joshua Ferris – Wir waren unsterblich

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