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Jans Mondfahrt

Jan 0
geschätzte Lesedauer: 4 Minuten

Dass Ostern viel zu schnell vorbei war, brauche ich ja nicht zu erwähnen. Ein paar sehr schöne Tage mit leider viel zu durchwachsenem Wetter. Und ich bin in den Genuss einer neuen Erfahrung gekommen: Nachtzüge.

Am Donnerstag Abend startete meine Odyssey schon auf dem völlig falschen Fuß. Mein Zug sollte viertel vor 21 Uhr losfahren. Ich stehe aber schon kurz nach sieben auf dem Bahnhof und wundere mich, warum mein Zug nicht ausgeschrieben ist. Ein Blick auf die Fahrkarte belehrte mich eines besseren. Kein Problem dachte ich mir, Tasche ins Schließfach einsperren und noch ein wenig in der Stadt herumlaufen, die Geschäfte haben ja noch auf. Einfach Geld wechseln, um das Fach zu bezahlen. Leider hatten nur noch Imbisstände am Bahnhof auf, die alle der Meinung waren, meinen Geldschein dann zu wechseln, wenn jemand was kauft. Also zog ich von leerem Stand zu leerem Stand, als sich dann jemand fand, der Pfandflaschen zurückgeben wollte. Ich hielt schon freudestrahlend meinen Schein hin, schon fiel die Lade zu und wortlos verschwand die Verkäuferin in einem der hinteren Räume. Mein höhnisch gerufenes „Danke schön!“ muss sie aber noch mitbekommen haben, denn ein glockenhelles „Bitte!“ kam noch zurück.

Nur gut, dass es noch einen kleinen Bäcker gab, der ohne viel zu reden, die Kasse öffnete und mein Geld wechselte. Typisch für solche Momente war es draußen grau und kalter Wind wehte. Trotzdem schlenderte ich gemütlich durch die Stadt und war kurz nach 20 Uhr wieder im Bahnhof, befreite meine Tasche und stieg in den Zug ein, nachdem er eingefahren war.

Die Sitze machten auf den ersten Blick einen komfortablen Eindruck. Die Zahl der eingestiegenen Passagiere ließ mich hoffen, dass ich genügend Platz zum Schlafen haben werde. Nachdem der Zug Leipzig passierte, waren noch genau 2 Plätze in dem Wagen frei. Der neben mir und ein weiterer gegenüber vom Gang. Eine zusteigende Mutter mit Kind beantwortete alle offenen Fragen. Da kein Kursplan zu finden war, erkundigte ich mich nach den nächsten Bahnhöfen. Schnell wanderte das Gespräch zum Preis für Zugfahrten und wie teuer doch alles ist, wie gierig die Politiker sind und dass man 100 Euro mehr zahlen muss, um 20 Euro zu bekommen. Auch die Frage ihrer Tochter: Mama, was soll ich denn jetzt für Musik hören? wurde in Wagonlautstärke mit Frag doch mal den vor uns, der hat so viele CDs beantwortet, weil der sich gerade durch seine komplette CD-Sammlung grub oder später mit seinem Bluetooth-Headset mit Freunden telefonierte oder in seinem Opel-Hochglanz-Magazin blätterte. Zeit für mich, mir die Kopfhörer in die Ohren zu stopfen und versuchen zu schlafen.

Sehr angenehm war, dass das Licht gegen 23 Uhr gelöscht wurde und nur noch das im Sitz integrierte Licht zum Lesen genommen werden konnte. Da niemand hinter mir saß, konnte ich den Sitz problemlos nach hinten verstellen und döste so ein wenig vor mich hin, bis ich gegen halb 1 abrupt geweckt wurde. Der Zug stand still und es wurde umgekoppelt. Ungefähr im Halbe-Stunden-Takt, sodass man sehr schnell wieder munter wurde, als ein Ruck durch den Wagen ging. An Schlafen war in dem Fall nicht zu denken. Als sich gegen 4 der Zug wieder in Bewegung setzte, schlief ich sofort wieder ein…

Die Rückfahrt schien ähnlich zu verlaufen. Zu Beginn war der Zug noch leer, sehr leer, füllte sich aber auch wieder sehr schnell. So schnell, dass schon Streitigkeiten um Plätze ausgefochten wurden, als eine Mutter mit Kind in den Zug stürzte und sich neben der Reihe vor mir aufbaute und behauptete: Wir haben die Plätze 25 und 26 reserviert. Die beiden vor mir zückten ihre Fahrkarten mit den Platzreservierungen und straften ihre Behauptung Lügen. Sie hielt ihnen im Gegenzug ihre Karte unter die Nase, als der Mann schräg vor mir bemerkte: Haben sie mal auf’s Datum gesehen? Unsagbar schnell wurde die Bahn beschuldigt, man hätte extra angegeben, dass sie Montag zurückfahren wollen. Ihre „liebreizende“ Tochte plärrte in „charmantem“ Tonfall Och Mutter, was haste denn da wieder für Scheiße gebaut? Kleinlaut verzogen sich beide, um dann später ihre Taschen zu holen und zu verkünden, man hätte jetzt einen Platz im Schlafwagen bekommen.

Und so ging die Reise weiter – ich hatte „Abfahrt Hinwil“ dazu auserkoren, Unterhaltungsprogramm meiner Rückreise zu sein. Soweit gab es keine Probleme, einige Bahnhöfe nach Reisestart stellte sich die Schaffnerin neben mich und fragte, ob sich mein Nachbar schon gemeldet hätte. Ich verneinte und wollte im Gegenzug wissen, ob da schon einer sein sollte. Ja, schon seit einer ganzen Weile antwortete sie. Also dachte ich daran, beruhigt ein wenig zu schlafen, doch das Deckenlicht schien unbarmherzig von oben herab. Erst gegen ein Uhr wurde der Zug in Schlafmodus versetzt und innerhalb von wenigen Minuten war ich eingeschlafen. Im Zug zu schlafen hat etwas von einem Papierschiffchen auf hoher See. Man schläft und bekommt aber noch gerade etwas von seiner Umgebung mit, hört unterbewußt die Musik weiterlaufen und klettert mit den Tönen wieder in einen halbwachen Zustand, hört Wortfetzen in der Musik…. „Kann ich Ihnen helfen?“ – „Wir prüfen Radiowellen!“ – „Wir haben aber im Dorf nur zwei Radios!“ – „Wir prüfen trotzdem!“… und sinkt an den dahinperlenden Tönen wieder tiefer in den Schlaf.

Solange, bis man halb 3 von einem hellen Lichtschein geweckt wird. Es wurde wieder umgekoppelt und das Licht des Bahnhofs scheint genau in mein Gesicht und die Bahnhofsuhr ist auch nicht gerade gedimmt. Eine Stunde döse ich vor mich hin, bis die Zugfahrt weiter ging und das Auf und Ab des Schlafens seine Fortsetzung nahm…

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