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Made in China – Ein Fazit nach 3,5 Wochen

Jan 0
geschätzte Lesedauer: 6 Minuten

China will es allen beweisen. China will Größe, Stärke und Macht demonstrieren. Werfen wir einen Blick hinter die Kulissen – so für zum Beispiel 3,5 Wochen. – Uns wurde sehr schnell klar, dass sehr viel Fassade ist. Wir hatten jede Menge Zeit uns mit den Aspekten / Facetten auseinanderzusetzen und uns eine eigene Meinung über das chinesische Reich zu bilden. Ich werde das mal nach verschiedenen Blickwinkel auseinander nehmen – Made In China im Detail.

Menschen – Made In China

Dieser Fakt wirkt auf alles weitere, was in den nächsten Abschnitten folgt. China hat über eine Milliarde Einwohner! Und dessen muss man sich immer bewusst sein. Denkt man an Konsum – muss man sich ständig bewusst werden, dass eine Milliarde Menschen mit Wünschen, Bedürfnissen und Träumen befriedigt werden wollen. Und diese Nachfrage muss man sich auf der Zunge zergehen lassen… stellt euch vor: Socken für eine Milliarde Menschen, Nahrungsmittel für eine Milliarde Menschen, Bus und Bahn für eine Milliarde Menschen, Urlaub für eine Milliarde Menschen, Kommunikation für eine Milliarde Menschen, Wohnraum für eine Milliarde Menschen… ich könnte die Liste noch weiterführen, aber die Botschaft wird klar.

Die Anzahl der Menschen spielt in alle Bereiche – Kultur, Verhalten untereinander und gegenüber Fremden. Wie entwickeln die Chinesen eine Persönlichkeit bei solchen Zahlen? Sie müssen lauter, energischer, fleißiger sein, wie sein Nachbar, sonst klappt es nicht. Die Politik formt dazu noch von das Bild eines leistungswilligen, gesunden, kampfbereiten und patriotischen Chinesen. Platz für Alte, Kranke und Schwache kennt China nicht und sucht man auch vergebens. Wenn man schon mal einen Behinderten sieht, geht dieser verunstaltet auf die Straße zum Betteln. Nach innen verleiht die Regierung den Chinesen Nationalstolz, aber das täuscht darüber hinweg, dass China eins ist: das Reich der Mensch-Maschinen.

Wirtschaft – Made In China

China hat ein Wunder, dass es für sich verbuchen kann. Die industrielle Revolution wird in China ad absurdum geführt. Die Anschaffung von Maschinen, um preiswert Menschen zu ersetzen, lohnt sich in China nicht. In China sind Menschen billiger als Maschinen. Außerdem hat China einfach die Manpower, um alles zu schaffen. Von daher ist es kein Wunder, wenn über Nacht neue Wohngebiete entstehen, neue Städte aus dem Boden gestampft werden und China so der ganzen Welt eine lange Nase dreht.

Was man im Deutschland der 50er Jahre als Wirtschaftswunder bezeichnete, beginnt jetzt gerade in China. Es entsteht im Land ein Bedarf, der auch in Zeiten der westlichen Wirtschaftskrise für traumhafte Wachstumszahlen sorgt. China zeigt sich mit stolz geschwellter Brust und versucht uns lächerlich aussehen zu lassen. Nur die Frage ist: Irgendwann ist der Markt gesättigt und dann? Dann wollen die Leute mehr Geld, um sich diese Wünsche erfüllen zu können, die Produkte werden durch höhere Gehälter teurer… die Spirale funktioniert nicht.

Momentan nutzt China seine Vormachtstellung, um sich Technologien zu ergattern in Gegenleistung für preiswerte Produktionsstätten. Doch folgendes fehlt China bei seinem schnellen, billigen Wachstum: Nachhaltigkeit, Qualität und Kreativität. Alles wird schnell gebaut, produziert oder kopiert und genauso schaut es aus und so funktioniert es auch. „Made in China“ ist das Synonym für billig – und ich meine damit wirklich „billig“ und nicht „preiswert“.

Politik – Made In China

Als wir abends vor dem Fernseher saßen, wurden wir uns schnell einer Tatsache bewusst: ausländische Sender sind tabu. Statt dessen muss man sich mit CCTV 1 bis 15 begnügen und für die ausländischen Touristen gibt es noch CCTV News in englischer Sprache. Und was dort ausgestrahlt wird, gleicht unseren Nachrichten, nur dass wir das Gefühl bekamen, die ganze Welt ist schlecht, aber in China ist alles in Butter. Gut, es gab hier mal Überschwemmungen, da einen Erdrutsch, aber für das Wetter kann China ja nichts. Als wir durch die Gänge der Metro liefen, fuhren wir durch die Straßen, China verbreitet überall die Vision eines neuen wunderbaren Landes. Jede Menge Wohnraum für alle, riesigen Erholungsanlagen und alles ist grün und glänzt. Die Realität sieht jedoch anders aus, womit wir nahtlos zum nächsten Punkt übergehen…

Kultur, Religion und Tourismus – Made In China

Das traditionelle China mit seinen kleinen Häusern, einer ruhigen und gesunden Lebensweise ist Millionenstädten mit gigantischen Hochhaus-Wohnkomplexen, hektischem Straßenverkehr mit vielen hupenden Autos, LKWs, Bussen und Motorrädern gewichen. Gebäude, die nicht mehr in das Bild eines modernen China passen, müssen für neue Hochhäuser Platz machen. Die chinesische Kultur erhält einen westlichen Anstrich. Wo man sich am Wochenende im Park zum gemeinsamen Qigong traf, wird heute der Ghettoblaster angerollt und man tanzt westliche Gesellschaftstänze. Und das in einer Lautstärke, die nicht nur die Boxen im Bereich der Übersteuerung betreibt, sondern auch das menschliche Gehör.

Lautstärke ist auch der Punkt, der empfindlich unser Ohr bei unseren Ausflügen getroffen hat. Auf jeden westlichen Touristen kommen je nach Attraktion 1 – 3 chinesische Reisegruppen. Jede Reisegruppe hat ihr Erkennungszeichen (z.B. gelbes Basecap), einen Führer mit Wimpel und Megaphon und der unterhält seine Gruppe non-stop mit Fakten. Einmal hatten wir das Vergnügen mit einer chinesischen Gruppe eine Busreise zu machen – ich wußte garnicht, dass man 1,5 Stunden Busfahrt ohne Pause von der Reiseleitung unterhalten wird (in chinesisch natürlich) – Gesang inklusive. Die Chinesen mögen Unterhaltung und wissen Leute zu schätzen, die etwas können.

Ein weiterer zentraler Punkt, um Menschen unter Kontrolle zu bringen, ist Religion. In China schämt man sich nicht für buddhistische Tempelanlagen Eintrittsgelder zu verlangen. Das Mitbringen und Entzünden eigener Räucherstäbchen ist unter Umständen auch noch verboten – dann darf man vor Ort geweihte Stäbchen kaufen. Vor dem Tempel stehen auffallend große, neue Autos auf – BMW, Audi, Lexus usw. Wir dachten, dass sich Geschäftsleute zu einem Gebet einfinden, bis dann eine Reihe Mönche nach ihrem Gebet aus dem Tempel kommen, um sich in den Ledersitzen ihrer Autos klimatisierte Luft um die Nase wehen zu lassen. Die Lektion ist klar – jeder hat seinen Preis und aufmüpfige oder freiheitsliebende Bestrebungen werden durch eine liebevolle Umklammerung zum Ersticken gebracht, wie es China mit Tibet bis 2020 vorhat. Dann soll auch diese Region vollwertig an das Reich angegliedert sein.

Umweltbewusstsein – Made In China

Von China hört man immer: Umweltverschmutzung, gefährliche Chemikalien in Lebensmitteln, Milch und Lebensmitteln, Dreck überall. Natürlich ist das so, aber bei uns doch auch. An der Stelle muss ich China wirklich decken und an den ersten Punkt erinnern – 1 Milliarde Menschen! Man stelle sich in Deutschland 15 mal so viel Müll, 15 mal so viele Autos, 15 mal so viele Abgase durch Industrieanlagen vor. Oder für die USA – 4 mal so viel. Wie sieht denn die Wirklichkeit aus? Energiesparlampen und LEDs statt Glühlampen. Allerorts der Hinweis, auf die Umwelt zu achten, in Großstädten sind alle Müllbehälter am Straßenrand schon auf Trennung eingestellt. Dinge, auf die man in Deutschland noch lange warten darf.

Und auch wenn das chinesische Bewusstsein für die Umwelt noch nicht ganz erwacht ist, sind die Folgen schon sichtbar. Als wir in Peking waren, konnten wir mit bloßem Augen in die Sonne schauen – eine dicke Smogglocke macht nicht nur das Licht trübe, sondern auch das Atmen schwer. Und erschwerend kommt noch das Rauchen hinzu… Chinesen rauchen überall (Verbote natürlich ausgenommen bzw. bewusst ignoriert). Im Zug, Bus, Gaststätte, während des Essens. Und das Kraut hat es in sich… jeder Raucher wird automatisch zum Schnarcher und zum potentiellen Spucker. Die Chinesen spucken überall auch da, wo sie rauchen.

Gruppenzwang – Made In China

Chinesen lieben das Gruppendasein. Vererbt durch die ehemals großen Familien ist man gesellig und schließt sich gern zu Gruppen zusammen oder wird zu einer Gruppe zusammengeschweißt. Erkennungszeichen – gleich Mütze, gleicher Aufkleber, gleiches Halstuch. So ist die Gruppe leichter zu erkennen und zu beobachten. Die Gruppe selbst reguliert sich ja von allein, schließlich möchte keiner Außenseiter sein. Noch besser, wenn man diesen Gruppen ein gemeinsames Ziel gibt.

So z.B. auf die Expo zu gehen, den Expo-Reisepass in die Hand zu drücken und dann auf die Pavillons loszulassen. Ergebnis sind 2-5 Stunden Wartezeit pro Pavillon, hilferufendes Personal in Pavillons, dass die Stempel verteilt und für das Großreich die Genugtuung sein ihr selbst gestelltes Ziel 70 Millionen Besucher auf der Expo zu haben, zu erreichen. Mal ehrlich – wir haben es selbst gesehen. Früh wurden die Leute dort mit Bussen abgeladen, hatten keine Ahnung, was sie dort sollten, außer sich die Stempel zu holen und abends wurden sie wieder eingeladen. Und in der U-Bahn prangt bereits um 10 Uhr die aktuelle Besucherzahl > 250.000. Als interessierter Besucher resigniert man irgendwann und hat Mitleid mit den Angestellten.

Aber auch als Tourist wurden wir den Zwängen unterworfen. Man muss sich innerhalb von 24 Stunden melden, wenn man innerhalb von China reist. Erledigt sich natürlich von selbst, wenn man ein Hostel oder so hat. Aber an der Stelle kommen Verschwörungstheoretiker voll auf ihre Kosten. Man sitzt nichtsahnend im Park und plötzlich tauchen zwei Schulmädchen auf, welche die Hausaufgabe haben, sich mit einem fotografieren zu lassen und dann bekommt man ein Heft unter die Nase gehalten, wo man seinen Namen aufschreiben soll. Wäre nicht schlimm, wenn nicht 15 Minuten später das nächste Pärchen vor einem stehen würde, mit der gleichen Aufgabe. Die lassen natürlich das erste Pärchen, dass sich schon wieder die nächsten Touristen geschnappt hat, links liegen.

Geschichte – Made In China

Nachdem ich alle Punkte beleuchtet habe, wurde uns eins schnell klar. China schreibt Geschichte und wenn es nur seine eigene ist und wenn auch nur, um noch mehr Geld damit zu erzielen. Kleines Beispiel? Die Höhlen von Yungang – riesige Buddhastatuen in Stein gekratzt, sehr imposant. Davor eine riesige Baustelle, auf der eine altertümlich anmutende Anlage entsteht. Auf die Frage, was das ist – „Hier wird der ehemalige Palast aus der Zeit der DingDong-Dynastie wieder errichtet.“ Warum war er nur weg? „Er wurde durch den Krieg zerstört.“ Aber welchen Krieg? „Es gab viele Kriege hier.“ Komisch nur, dass die Höhlen keinen Kratzer hatten, aber der Palast dem Erdboden gleich gemacht wurde.

Und genau dieser Eindruck hat den Chinaurlaub maßgeblich beeinflusst – egal wo man in China ist und was man sieht – es könnte gefälscht, verschoben, nachgebaut oder einfach erfunden sein.

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