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Thomas und die Nörgler

Jan 0
geschätzte Lesedauer: 2 Minuten

Mein Kumpel Thomas ist Fußballfan. Wenn Bundesliga ist, interessiert er sich immer für die Ergebnisse und fiebert natürlich für seinen Verein mit. So ähnlich wie ich beim Basketball. Dazu gehört natürlich, dass ein kleiner Aufkleber sein Auto schmückt, die passende Kaffeetasse und auch das T-Shirt. Kein Wunder, dass Thomas ganz aus dem Häuschen ist, wenn Fußball-WM ist. Ein Ereignis, dass alle vier Jahre statt findet. Dem entsprechend gibt es jetzt natürlich WM-Devotionalien in Form z.B. einer Deutschlandfahne als Magnethalter auf der Kühlhaube.

Warum muss ich das jetzt so ausführlich beschreiben? Weil er für mich stellvertretend einer von den vielen Tausend Fans in Deutschland sind, die mit der deutschen Mannschaft mitgefiebert haben. Ich klammere jetzt schon mal absichtlich „Fans“ wie mich aus, die Fußball nur als Randerscheinung wahrnehmen, die alle vier Jahre in ihr Sichtfeld rückt. Ich könnte auch noch meinen Arbeitskollegen als Beispiel heranziehen, der am Sonntag zum Finale nach Berlin gefahren ist. Er spielt selbst im Verein Fußball. Diese beiden vergessen für diese spektakulären Wochen, dass ein Großteil der Nationalmannschaft aus dem verhassten Bayern München Kader kommt und feuern sie an.

Trotzdem passiert, was immer passieren muss… es passieren links und rechts des Geschehens Ausrutscher von der üblen Sorte – kein Wunder, denn je mehr Leute man mit etwas begeistert, desto mehr Schmutz wird mitgerissen. Was mich aber wirklich ärgert sind diejenigen, die für ihre Stimme auch eine Plattform bekommen und dann pauschal um sich schießen. Da ist plötzlich jeder Fußballfan ein Nazi und ein Patriot und der Gaucho-Dance ist sowas von rassistisch. Ich erlaube mir jetzt kein Urteil über die Bildung, Kultur oder den Frustfaktor den sie in sich tragen. Glücklich bin ich jedoch darüber, dass ich diesen Artikel kurz nach der Rückkehr von unserer Weltreise geschrieben habe. Er bringt immer noch genau die Meinung rüber, die ich jetzt vertrete. Sich für seine Nation zu freuen und das zu feiern, ist nichts verwerfliches, solange man natürlich zu unterscheiden weiß, ob man den Erfolg oder die Nation feiert. Selbstverständlich gibt es auch hier Fehltritte, diejenigen die Deutschland feiern, obwohl eine Handvoll junge Männer hart dafür trainiert haben und diejenigen, die beim Wort „Nationalmannschaft“ schon angewidert die Mundwinkel verziehen, weil da etwas mit „national“ auftaucht.

Mir gehen beide Seiten tierisch auf den Senkel und ich mag eigentlich nichts mehr davon hören. Und wer jetzt eine Diskussion vom Zaun brechen möchte, sollte vorher folgendes Gedankenexperiment durch den Kopf gehen lassen: Stellt euch folgende Schlagzeile vor „100.000 Menschen feiern am Brandenburger Tor die Befreiung vom Nationalsozialismus“. Darunter ein Bild einer riesigen Menschenmenge über deren Köpfen viele Deutschlandfahnen wehen. Unvorstellbar? Eigentlich in keinem Land der Welt, außer in Deutschland.

Wie es der Zufall so will, hatten wir gerade auf unserer letzten Kreuzfahrt neben uns eine Gruppe von Leuten aus den USA/Kanada, die bei einem Quiz über „Berühmte Persönlichkeiten“ mitmachten – es tauchte zwischen van Gogh, Marilyn Monroe und Elvis ein Typ auf, der Anfang des 20. Jahrhunderts für einen Monat ins Gefängnis kam, weil er eine Revolte in München angezettelt hat. Irgendwie muss man es unseren Gesichtern angesehen haben, die reflexartig entgleisten… Der Tüp in einem Quiz über berühmte Persönlichkeiten? Wäre daheim ein absolutes No-go. Jetzt staunten unsere Gesprächspartner – echt jetzt, das ist doch schon 60 Jahre her? Uns blieb nur ein Schulterzucken übrig… wir lieben es die Last der Vergangenheit zu tragen, statt eine Lehre daraus zu ziehen und sie das sein zu lassen, was sie ist: Vergangenheit.

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