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Plattenkiste Juni 2019

Jan 0
geschätzte Lesedauer: 7 Minuten

Ich bin gerade in einer ganz schlimmen Phase. Mittlerweile kann ich kaum noch was mit neuer Musik anfangen. Doch seit ich letzten Monat die „Full Circle“ geholt habe, kann ich nicht genug von diesem Jahrtausendwechsel Drum’n’Bass haben. Also habe ich bei discogs alle Progression Sessions und die Earth Compilation Serie in die Wantlist gelegt und suche nach Schnäppchen. Und dementsprechend fällt die Plattenkiste Juni 2019 aus.

Vielleicht hängt es auch damit zusammen, dass ich mir mental ein Ziel gesetzt habe. Irgendwie denke ich, wenn ich 50 Jahre alt bin, höre ich auf, mich ständig durch die Neuerscheinungen zu wühlen. Wenn ich was mitbekomme, kaufe ich es, aber ich werde nicht mehr aktiv danach suchen. Grund hierfür ist vielleicht auch, dass ich beim Hören der alten Platten denke „Was habe ich mir dabei nur gedacht?“. Andererseits hätte ich wohl kaum Aphex Twin für mich entdeckt, wenn ich damals nicht einfach mal blind gekauft hätte.

Die versprochenen Releases letzten Monat sind mittlerweile auf Juli verschoben, was ich ziemlich gut finde, denn nichts ist ätzender als das musikalische Sommerloch. Gerade wenn man Zeit hat draußen zu sein und was zu machen, gibt es nichts Neues zu hören. Deswegen habe ich gut vorgesorgt und meine Playlist mit neuen Releases ist 1,7 Tage lang. Den „ältesten“ Release habe ich davon Ende März gekauft. Und das beim einem wirklich hohen Output. Laut meiner Statistik höre ich ungefähr einen Tag lang (24 Stunden!) Musik pro Woche! Also los – was gab es Neues im Juni?

LTJ Bukem presents Earth Volume Three

Die Earth Volume Three ist nur der Auftakt. In nächster Zeit werde ich nach und nach die komplette Serie holen, die schon seit langem als Kopie auf meiner Platte schlummert. Aber dafür ist der Sound einfach zu gut, um nur mit 128kBit/s durch die Lautsprecher zu krächzen. Sei es Drum’n’Bass oder gepflegter Downtempo, wie auf der Volume Three – die Earth Serie ist so entspannend, dass es man sie immer und immer wieder hören könnte.

Progression Sessions 5

LTJ Bukem feat. MC Conrad and DRS

Eigentlich könnte man eine der Point In Time oder der Looking Back Compilations nehmen, mixen und dazu einen MC etwas passendes sprechen oder rappen lassen und fertig wäre die Progression Session. Aber so einfach ist es nicht. Erstens ist „man“ nicht LTJ Bukem und ein MC ist nicht MC Conrad und schon gar nicht DRS. Auf die Schnelle finde ich jetzt nicht, wie alt DRS ist. Aber die Doppel-CD ist 2000 erschienen. Wir haben mittlerweile 2019 und DRS ist immer noch voll im Business. Der Typ scheint einfach nicht zu altern. Ursprünglich habe ich die ganze Serie der Progression Sessions von einem Studienkollegen als MP3 bekommen. Schon damals war ich total geflasht von dem atmosphärischen Drum’n’Bass und den scheinbar spontan dahin fließenden Rhymes. Hat sich knapp 20 Jahre später nichts geändert.

Burial – Claustro / State Forest

Eine Scheibe, wie sie nicht unterschiedlicher könnte sein. Der Track „Claustro“ kommt als UK Garage daher und fühlt sich wie Burial an. Auch wenn das Vocal-Sample vergleichsweise wenig verfremdet ist. Und auf dieses Uptempo-Dance-Ensemble schleppt uns Burial auf der B-Seite in einen dunklen Wald. So tief und finster, dass keine Bassline und keine Drums mehr herauskommen. Vielleicht ist es aber auch nur nochmal der erste Track mit einem Hundertstel des Tempos.

Spearhead 100

Spearhead ist für mich ein legitimes Phänomen. Wenn immer ich mal in eins ihrer Releases reingehört habe, war es dieser bratzige Trööt-Trööt-Drum’n’Bass, den ich überhaupt nicht mag. Und dann werfen die eine Compilation nach der anderen auf den Markt, wo ich mich frage: Wann wurde das veröffentlicht? So ging es mir 2015 mit Ten, so war es 2017 mit The Soundtrack und nun – 2019 kommt Spearhead 100. Und schon beim Durchhören weiß ich, dass ich den Kauf auf keinen Fall bereuen werde. Das Beste der letzten 99 Releases. Schön ist, dass dieses Teil wieder vor dem Sommer rauskommt, sodass mich diese Compilation wieder durch den Sommer begleiten wird.

Yagya – Stormur

Also der Yagya so wie ich ihn kenne, den gibt es nicht mehr. Ich muss zugeben, dass ich skeptisch war, als ich hörte, dass er ein Album auf A Strangely Isolated Place herausbringt. Denn damit verknüpfe ich eher wenig, bis gar keine Beats. Nachdem „Stars & Dust“ das einzige Album von Yagya ist, was ich nicht gekauft habe, weil es mir zu schmusig war, bin ich um so zögernder gewesen. Im ersten Moment des Reinhörens war ich dann aber doch positiv überrascht. Das war ja wieder der alte Yagya. Und jetzt – wo ich das Album mittlerweile zwei mal gehört habe – bin ich noch mehr begeistert.

Ich versuche mal eine Brücke zu schlagen. Damals erschien von L.S.G. das Black Album. Das war ein ziemlicher Kulturschock für seine Trance-Fans war, denn es schlug definitiv eine technoide Richtung ein. Und während mal bei Yagya sich im Bereich schwerer, tiefer Island-Winter-Dubs heimisch fühlt, schleicht er sich ab Track 3 so langsam in Richtung minimaler Techno. Sodass man doch ziemlich überrascht sein dürfte, wenn man von Track 1 gleich mal zu Track 8 springt. Ist das wirklich noch Yagya? Ja sicher, und richtig gut!

Slacker – Leviathan

Manchmal sind die Schnipsel, die man vor dem Kauf hört, so nichts sagend, wie ein weißes Blatt Papier. Initial dachte ich, dass die ersten beiden Stücke eher lebendig sind und danach zwei ruhige Stücke folgen. Tatsache ist, dass sogar schon Track zwei mit seinen Dub Echos sehr schnell runter fährt. Und so wirkte die Scheibe initial wie grob zusammen gestüpfelt. Hört man sie aber hintereinander, wird ein Konzept daraus.

YWF – Replaced EP

Also bei Echochord-Releases habe ich eine gewisse Vorstellung mit der ich an den Release herangehe. Also legte ich mir die YWF in die Pipeline der Scheiben, die ich anhören möchte. Als die vier Tracks im Vorhören durchliefen war ich erstaunt. Was war das? Das war näher an Wolfgang Voigts Gas, als an dem, was ich erwartet hätte. Und trotzdem gibt es immer wieder feine Nuancen von Dub-Techno, die durchschimmern. Und die letzte Nummer ist sehr bizarr – weil unglaublich nach unten gedrückte Echos einem um die Ohren ballern. Days of Doom – der Name des Remix‘ spricht Bände.

Almaty – Sonic Signature

Da war ein Podcast im März oder vielleicht sogar im Februar von Violet, Gründerin des Lissaboner Labels Naive. Schon das Labellogo hat mich unglaublich angesprochen, denn es sieht wie eine Spiegeldarstellung des evian-Logos aus. Und dort tauchte eine Track der Sonic Signature auf und ich musste bis Mai warten, dass die Scheibe erschienen ist. Wie soll ich die Platte hin verordnen? Das Cover ziert ein Wal und so ungefähr würde ich es einordnen, es hat die Weite von Ozeanen und die Entspanntheit. Aber trotzdem sollte man immer wachsam sein, denn plötzlich könnte das Wetter umschlagen und ein Sturm herausbrechen.

F.U.S.E. – Train-Tracs

Im Rahmen des 25-jährigen Jubiläums des Erscheines der „Dimension Intrusion“ dachte sich Richie Hawtin, dass es eine gute Idee wäre, ein paar seiner Werke, die seit dem geschlummert haben, aus der Versenkung zu holen. Und so erschien ein Bundle aus dem Original, einem Album namens „Computer Space“ und den Train-tracs. Und letztere tragen den unvergleichlichen Charakter der Tracks der damaligen Zeit, haben aber das Zugmotiv durchgehend durch alle Songs. Von daher unglaublich homogen, aber trotzdem hochgradig individuell. So wie die „Dimension Intrusion“.

Lunatic Asylum – The Meltdown Mixes – A.L.S.O.

Remixed by The Mover

Der Mann mit den 1.000 Pseudonymen – The Mover aka Marc Arcadipane aka Nasty Django aka Program 1. Und das Cover ist eine einzige Verwirrung. Also das Original ist von Lunatic Asylum und heißt A Lunatic Space Odyssee, kurz A.L.S.O. Auf der CD gibt es demzufolge vier Remixe und das Original. Und The Mover hat im Grunde genommen nicht weiter gemacht, als das Original, was mit 165 BPM auch für Trance ziemlich flott unterwegs ist, auf 139 BPM zu entschleunigen, den Bass und das Thema mehr in den Vordergrund zu rücken und es epochal und wuchtig wirken zu lassen. Dazu kommt noch, dass das Original überhaupt nicht Dancefloor tauglich ist. Ich kann mich erinnern, das Stück mal in der Disco gehört zu haben und dabei die zwei Minuten in der Mitte, wo der Spannungsbogen komplett abreißt, einfach nur dumm aus der Wäsche guckend auf der Tanzfläche gestanden habe.

Probe Mission 2

Na da bestelle ich doch nicht Lunatic Asylum und die Adam & Eve und bekomme eine dritte CD gratis dazu? Probe Mission 2 ist ein Nova Mute-Sampler, der einige bekannte Künstler mit ihren weniger bekannten Tracks vereint. Track Nummer 1 heißt „Three O’Three“ und der Name ist Programm. Und hinter Public Energy versteckt sich niemand anderes als der als Speedy J bekannte Jochem Paap. „Spiritual High“ fühlt sich anders an, ist weniger ruppig, passt aber gut in die frühen Plus 8 Releases. Das sage ich nicht ohne Grund, denn hinter Türchen #2 steht Richie Hawtin als „UP!“. Track 3 und 4 sind dann weniger bekannte Künstler, obwohl Daniel Bell mich an irgendwas erinnert.

F.U.S.E. – Computer Space

Also erstmal ganz ehrlich: Die Scheibe hat 4 Stücke mit einer Gesamtspieldauer von knapp 70 Minuten. Und sowas ersteht man zu einem Preis von 2,99 Euro. Da bekomme ich in der Tat schon ein schlechtes Gewissen. Aber man muss es relativieren. Stück mit einer Spieldauer von 35 Minuten haben entweder einen Spannungsbogen, der sich lang hinzieht oder setzen an einem bestimmten Punkt auf und halten das Level über die gesamte Zeit. So richtig sicher bin ich mir beim Titeltrack nicht, denn er wabert so 37 Minuten vor sich hin und es ändert sich nicht wirklich viel. War Richie Hawtins Vorstellung von Computern in den frühen 90ern so flach?

Luke Slater – Love Remixes

Also positiv muss man mal erwähnen, dass die letzten beiden Remixe (Marcel Dettmann & Scuba) nur auf der digitalen Ausgabe enthalten sind. Aber ansonsten ist dieses Remixprojekt nur Name dropping. Burial, 7th Plain, Scuba, Marcel Dettmann. Man erwartet viel, bekommt aber relativ wenig. Schon allein Burial fällt überhaupt nicht auf. Allein der 7th Plain und der Planetary Assault Systems Remix entwickeln eine hypnotische Faszination auf Grund ihrer Länge von über 10 Minuten.

Most Wanted Vol. 2 – Adam & Eve Records

Ich hatte „Manitou in Africa“ noch auf meiner Wunschliste. Original erschienen auf Adam & Eve Records. Was mich aber wirklich komplett verwundert ist, dass ich die Vol. 1 & 2 schon mal hatte, mich aber überhaupt nicht daran erinnern kann. Auch meine Playlist sagt, dass sie exakt 0 mal gespielt wurden. Ich kaufe CDs, die ich nie höre? Muss eine verrückte Zeit gewesen sein.

Zurück zu „Manitou in Africa“ – das ist auch schon wieder RMB, der außerdem mit Auszügen der RMB Trax 1&2 vertreten ist. Seine ersten Veröffentlichungen überhaupt. Aber auch das Ehepaar Newman & Wells sind als Church of Extacy mit enthalten. Im Groben ist die erste Hälfte sehr Hardcorelastig und wird zur zweiten Hälfte zu sanfter. Wird trotzdem nicht zu meinen Lieblings-CDs gehören. An irgend einem Punkt ist ein Teil der elektronischen Musik falsch abgebogen. Und plötzlich sprossen Labels aus dem Boden und veröffentlichten jeden Kram, der von Leuten zusammen gefrickelt wurde, die an ihren PCs saßen und ihre Kindermelodien feierten. Das Qualität zu der Zeit schon möglich war, beweisen z.B. Autechre, die 1993 die „Incunabula“ veröffentlichen.

We Are Reasonable People

WARP Records werden 30. Unglaublich. Als wäre es noch gestern, dass es mit dem verspulten Zeug der frühen 90er anfing. Und dann kam Aphex Twin und Autechre und plötzlich kannte jeder das Label. Auch wenn ich mit dem Sound später nichts mehr anfangen kann, gefällt mir die Einstellung von WARP. Sie sind schon ein echt großer Brocken von Label geworden, halten aber weitgehend den Ball flach, es sei denn, ein neues Album von Aphex Twin wird promotet, dann rollt die Marketing-Maschinerie richtig an. Wie der Zufall es will, stolpere ich über diese CD, denn hier ist die ziemlich rare Kollaboration von Squarepusher und AFX „Freeman Hardy & Willis Acid“ drauf.

Platinum Breakz II

Blättern wir die Zeit zurück – es ist 1997. Drum’n’Bass war noch nicht so etabliert, Jungle war noch nicht ganz außer Sicht. Und genau an dieser Grenze arbeitet die Platinum Breakz II. Wobei es sehr minimalistisch zugeht. Die Tracks enthalten bisweilen kaum Samples, von den Drums man abgesehen. Und wenn es schon zu Samples kommt, dann muss es düster und/oder mysteriös sein. Und wenn bei „Stonekiller“ auf einmal das Thema von „Hankie“ von Aphex Twins SAW II auftaucht, weiß ich, dass hier Profis am Werk waren. Trotzdem ist es sehr schwere Kost – dabei ist die zweite CD aber schon zugänglicher.

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