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Bücherreise

Jan 0
geschätzte Lesedauer: 3 Minuten

Das schöne in den meisten Hostels ist der Bücheraustausch. Man bringt ein Buch mit und darf sich ein anderes nehmen. Natürlich wird das in den Hostels unterschiedlich gehandhabt, aber meistens ist es so. Nachdem ich mit „1Q84“ fertig war, brauchte ich neue Lektüre.

In einem Hostel entdeckte ich dann „Kurze Geschichte des Traktors auf Ukrainisch“ von Marina Lewycka. Der Buchumschlag sprach von einem Buch, in dem ein älterer Herr eine junge Frau heiratet, die wie er aus der Ukraine kommt. Nach seiner Hochzeit muss alles erneuert werden – ein Herd für intelligente Menschen, ein besserer Staubsauger, neue Autos usw. Kurz gesagt, die junge Dame nimmt den alten Mann nach Strich und Faden aus und dagegen laufen seine beiden Töchter, die sich nicht ausstehen können, Sturm.

Die Autorin ist selbst aus der Ukraine und als Kind nach England eingewandert. Und genau in diesem Umfeld spielt sich das Buch ab. Es ist aus dem Blickwinkel einer der Töchter geschrieben, am Anfang noch witzig, wie man es von einer englischen Komödie erwarten würde, aber später mischt sich immer wieder der russische Pathos ein. Man möge mir verzeihen, wenn ich russisch und ukrainisch in einen Topf werfe. Beide Länder teilen eine gemeinsame Geschichte, liegen geografisch dicht beiander und sind damit Geschwister im Sinne des Geistes.

Durch unsere Reise durch Russland haben wir eins gelernt – in Russland wird nach wie vor der Sieg über Hitlerdeutschland immer noch gefeiert, als wenn es gestern wäre. Dementsprechend dürfen auch in diesem Buch die Referenzen auf den 2. Weltkrieg bzw. das Regime Stalins nicht fehlen. Es hilft nicht bei der Erzählung weiter, macht sie über weite Teile des Buches schwer und depressiv. Einzig positiver Effekt ist, dass der Opa nicht als seniler, sexgieriger Knilch dasteht, sondern auch eine Geschichte voller Entbehrung und Leid hinter sich hat. Das Ende werde ich mir vorbehalten, es sei nur so viel gesagt, es werden eigentlich alle Klischees bedient, die einem bei der Thematik nur einfallen.

Zweites Buch war mal wieder ein Sachbuch – „Der Maya-Kalender – Die Wahrheit über das größte Rätsel einer Hochkultur“ von Bernd Ingmar Gutberlet. Wie der Titel schon andeutet – hier springt jemand indirekt auf die Panikmache rund um das Jahr 2012 auf, nur dass hier keine Panik geschürt wird, sondern auf die Aufrührer geschimpft wird.

Das Buch bietet zum Anfang einen interessanten Einblick in die westliche Kalenderhistorie. Anschließend geht der Autor auf die Kultur der Maya über und erzählt von den Verhältnissen zur Blütezeit der Mayas. Es folgt ein kurzer Überblick über das Kalendersystem, was vorher schon eingeführt wurde und zum Abschluss wird begründet, warum eine Panik völlig unberechtigt ist.

Das ist die höfliche Formulierung dessen, worum es in dem Buch geht. Betrachtet man es mit offenen Augen, wird man völlig unmotiviert in den Sumpf der europäischen Kalenderrechnung gezogen und fragt sich „Was hat der julianische Kalender mit den Mayas zu tun?“. Aber es geht weiter – es wird die Figur eines Bauern Ben erfunden und dessen Tagesablauf nachvollzogen. Gut und schön, aber es wird regelmäßig der Faden der Geschichte verloren, immer wieder von der Handlung abgewichen, dass der Bauer Ben eher wie ein überflüssiges Anhängsel erscheint.

Mitten im Buch gewinnt man den Eindruck, dass der Mayakalender ein hochkompliziertes Rechenwerk ist, dass man ohne Mathematikverständnis nicht nachvollziehen kann. Es wird immer von Korrekturmechanismen gesprochen und Synchronisierungen, um das Sonnenjahr auf den Kalender abzustimmen, aber diese Mechanismen existieren einfach nicht. Der Mayakalender ist ein Zählwerk, dass täglich weitertickt, wie jeder andere Kalender auch. Und wenn man jetzt noch einen Blick auf die Kapitelüberschriften wirft, glaubt man, der Autor sitzt hochnäsig und selbstgerecht auf seinem Thron und verteilt mit einer Selbstverständlichkeit seine gottgegebene Bildung an das dumme Volk. Im Ganzen gesehen, ein interessantes Buch mit guten Denkanstößen, aber zu viel unnützem Beiwerk und einer selbstgefälligen Erzählweise. Wer den Mayakalender schnell begreifen will, der ist am besten mit der Wikipedia bedient.

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