Drücke „Enter”, um zum Inhalt zu springen.

W wie Wolfsheim

Jan 0
geschätzte Lesedauer: 3 Minuten

Mit Pet Shop Boys und Depeche Mode bin ich ja schon in die Richtung Synthie-Pop gegangen, aber Wolfsheim spielt da eine ganz spezielle Rolle.

Jeden Beitrag gibt es auch als Podcast, der etwas umfangreicher als der Eintrag auf dem Blog ist. Untermalt wird das natürlich von der Musik, über die ich hier erzähle.

Für viele Synthie-Pop-Bands der 1990er waren Depeche Mode die treibende Kraft. Elektronische Klangerzeugung plus Gesang, der kritische oder melancholische Texte enthielt. Ich will nicht behaupten, dass es sowas in anderen Ländern nicht gab, aber wenn ich mal so meine Favoriten aufzähle: And One, Wolfsheim und De/Vision, dann sind das ausschließlich deutsche Bands.

Das Phänomen ist, dass ich keine Ahnung habe, wie ich da eingestiegen bin. So gegen 1997/1998 hatte ich dann auf einmal den Strange Ways Mailorder Katalog und bestellte darüber Musik. Und so entstand die komplette Sammlung von Wolfsheim und De/Vision.

Ich weiß nur, dass ich im Oktober 1998 die Maxi-CD von Once In A Lifetime in den Händen hielt. Und das schon einige Tage bevor der eigentliche Veröffentlichungstermin war. Das waren die klaren Vorteile, wenn man direkt beim Plattenlabel bestellt. Das bedeutet auch, dass ich zu dem Zeitpunkt schon komplett angefixt gewesen sein muss. Je länger ich darüber nachdenke, um so mehr stelle ich den Zusammenhang zwischen den Depeche Mode CDs und diesem Zeitraum her.

Vermutlich lag es auch daran, dass wir als Freundeskreis zu der Zeit ziemlich häufig nach Bautzen in die Disco gefahren sind. Das klingt jetzt abwegig. Warum sollte man Dresden verlassen, um irgendwo auf dem Land in die Dorfdisco zu gehen? War halt so und will ich jetzt auch nicht näher ausführen.

Mein erstes Wolfsheim-Konzert war dann im Oktober 1998 in Chemnitz. Und schon sind wir bei den Eigenheiten eines Wolfsheim-Konzerts. Markus Reinhard war hinter seinem Synthie / Laptop festgewachsen und Peter Heppner stand steif hinter dem Mikrofon. Dass er sich nicht bewegte, hatte weniger körperliche Gründe, als dass er immer dezente Probleme mit der Textsicherheit hatte. Deswegen stand neben ihm immer der Notenständer mit den Texten. Das ist keine böswillige Behauptung, sondern eine fixe Tatsache. Hört man die CD „Hamburg – Rom – Wolfsheim“ und geht auf Titel 16 „Leave no deed undone“ bei Minute 1:30 – kompletter Textausfall.

Und so auch bei diesem Konzert. Ein oder zwei Mal riss der Text ab, aber die Fans füllten die Passage lautstark. Das machte Wolfsheim irgendwie menschlich. Wie du und ich – einfach nicht perfekt, sondern mit kleinen Ecken und Kanten.

Kommen wir aber mal zur Musik zurück und zu einer kleinen Bewertung der Alben. Natürlich enthielt ihr erstes Album mit „The Sparrows And The Nightingales“ und „It’s Not Too Late“ die beiden Riesenhits der ersten Stunde. Wolfsheim selbst haben den Nachfolger Popkiller immer als Fehler bezeichnet, weil es zu schnell erschienen ist.

Neben den beiden Alben und den Single-Auskopplungen erschienen mit „Elias“ und „Thunderheart“ zwei Maxis, die nicht auf einem Album zu finden waren. Darum ist es um so erstaunlicher, dass der dritte Longplayer dann schon eine Art „Best Of“ war. Aber es war auch genug neues Material darauf (Real, Where Greed Talks, Circles), um die Fans zum Kauf zu zwingen. Gleichzeitig machten sie mit dem Albumtitel 55578 klar, dass sie nichts mit dem Ort „Wolfsheim“ zu tun haben. Statt dessen beriefen sie sich auf die Figur des Meyer Wolfshiem aus F. Scott Fitzgeralds „The Great Gatsby“. Nun hab ich das Buch sowohl auf Englisch als auch auf Deutsch gelesen und in beiden Versionen heißt die Figur Wolfshiem. Aber das nur nebenbei.

Wenn wir jetzt den Fortschritt der Technik mit einbeziehen und den aktuellen Stand der Musik, müssen wir zwangsläufig zum Schluss kommen, dass Dreaming Apes den Höhepunkt ihres Schaffens darstellt. Zum einen gab es noch nicht so viele Musikprogramme, mit denen man den eigenen Sound poppig verpfuschen kann und zum anderen haben die Texte eine Schwierigkeit, die jenseits von einfachem Pop liegt.

Ganz deutlich merkt man das an der Ballade „Übers Jahr“. Schöner geht es einfach nicht. Insofern war die Spectators ein Rückschritt. Aber gleichzeitig auch durch die poppige Interpretation der Titel publikumswirksam. Und man wunderte sich, dass da „ein deutscher Titel“ drauf ist? Ja! Die deutschen Titel gab es auch schon auf den Alben davor.

Zu dem Zeitpunkt weiß ich noch, dass ich irgendwann in der Dresdner Neustadt in einem Plattenladen war. Natürlich hatte ich damals ziemlich oft eines meiner vielen Wolfsheim-T-Shirts an. Als ich den Laden verließ rief mir eine Stimme hinterher „Hey du! Wolfsheim!“ Grund für den Ruf war die 12″ von „Sleep Somehow“, die der Inhaber gerade frisch bekommen hatte und mir anbieten wollte. Als Freund der elektronischen Musik war ich von der Fusion von Drum’n’Bass und Synthie-Pop begeistert.

Um zu verstehen worauf ich hinaus will, muss man sich nur das letzte Album Casting Shadows von Wolfsheim ansehen. Diesem Album lag eine spezielle Ausgabe eines Musikprogramms bei, mit den Samples des Album. Im Grunde genommen konnte man sich seinen eigenen Remix von dem Album machen. Deswegen war Casting Shadows einfach nur beliebig und hob sich nicht mehr von der grauen Masse ab.

Ich denke, Peter Heppner hat zu dem Zeitpunkt erkannt, dass das Projekt musikalisch in die Sackgasse gelaufen war. In der Vergangenheit gab es schon öfters Projekte, in denen er für einen Song mitgewirkt hat. Und so ist es kein Wunder, dass es z.B. zu einer Kollaboration mit Schiller kam, die sehr erfolgreich war.
Der nachfolgende Rechtsstreit zwischen Heppner und Reinhard über die Nachfolge des Namens Wolfsheim war hässlich wie auch komplett überflüssig. Wie ich schon bei Depeche Mode erwähnt habe, war Synthie-Pop zu der Zeit ohnehin überholt und somit auch das Projekt.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

WordPress Cookie Hinweis von Real Cookie Banner