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Eigene Musikproduktion

Jan 2
geschätzte Lesedauer: 5 Minuten

In dieser Ausgabe von electro-space monthly soll es um das Thema Musikproduktion gehen. Lange habe ich mit mir gehadert, denn ich war und bin nie zu 100% von meinen Tracks überzeugt gewesen. Aber nachdem mein Freund Basti letztens darüber berichtet hat, gebe ich mir einen Ruck. Diesmal ist der Podcast fast ein Muss, denn ich werde ein paar Tracks von mir vorstellen. Der Inhalt dieses Beitrags basiert auf einem Text, den ich schon vor einigen Jahren schrieb, nur kommen noch ein paar Details dazu.

electro-space monthly ist eine Serie, bei der es um Musik geht, die mich beeinflusst hat. Dabei können Künstler, Musikstile oder Labels als Themen auftauchen. Inhaltlich geht es selten um Vollständigkeit, sondern nur um den Abriss, der mich bewegt hat.

Außerdem gibt es die Serie auch als Podcast zum Anhören. Dort gibt es neben dem hier stehenden Text noch die Musik, über die geredet wird. Und vielleicht erzähle ich auch noch etwas mehr, wenn mir spontan etwas einfällt.

Wie es begann

Nachdem ich 1992 meinen ersten PC gekauft hatte, dauerte es nicht lange bis ich ein Programm namens MODPlay in die Hände bekam. Ich war fasziniert! Ein kleines Programm, was aus winzigen Dateien ganze Musikstücke entstehen ließ.

Das Prinzip dahinter war simpel, genau wie das Dateiformat. Es gab eine Liste von Samples im WAV-Format und ihren Namen. Es gab Patterns, wo mit Noten hinterlegt wurde, welches Sample wie gepitcht abgespielt wurde. In den Patterns konnte man über Spezialbefehle Tempo, Lautstärke und ähnliche Effekte hinterlegen. Und letztendlich gab es noch die Reihenfolge wie die Patterns als Song abgespielt werden sollten.

Im ursprünglichen MOD-Format gab es vier Spuren. Denkt man mal darüber nach und fängt an: Bassdrum, Open Hihat, Closed Hihat, Clap / Snaredrum… ja, da war ganz schnell Schluss. Deswegen legte man mehrere Samples in einen Kanal, was den unangenehmen Nebeneffekt hatte, dass ein Sample das andere beim Abspielen unterbrach.

So hockte ich voller Begeisterung vor dem kleinen Lautsprecher meines PCs und hörte, wie da knarzend irgendwelche Geräusche rauskamen. Das verbesserte sich mein Kumpel Torsten mit seinem Bruder (der eine Lehre als Elektroniker machte) hinsetzte und die Anleitung für einen D/A-Wandler umsetzte, der MODPlay beilag und über die Druckerschnittstelle eine Umwandlung auf ein 5-poliges Kabel machte, dass man an den Kassettenrekorder anschließen konnte. Ein Adapterkabel auf Cinch für die Anlage holte ich mir erst später, was den ungehobelten Sound der Anfangszeit noch brachialer machte.

Ungefähr zur selben Zeit bekam ich wieder ein Diskette in die Hand gedrückt, wo MODEdit drauf war. Wie der Name schon verspricht, konnte man damit selbst MOD-Dateien erstellen. Auch das Programm konnte schon mit dem D/A-Wandler umgehen, aber nur beim Abspielen. Beim Editieren oder Abspielen einzelner Samples trötete es weiterhin aus dem PC-Lautsprecher.

Und los geht’s!

Im Prinzip waren damit die Grundsteine für meine ersten Tracks gelegt. Jetzt stand nur die Frage im Raum: Wie komme ich an Samples, damit ich die Musik machen kann, die in meinem Kopf ist? Zum großen Teil lief es darauf hinaus, dass man sich aus anderen MOD-Dateien die Samples geklaut hat. Oder im furchtbarsten Fall nutzte man den D/A-Wandler in die Gegenrichtung und schnitt sich die Samples aus Kassettenaufnahmen. Reden wir hier von Qualität? Auf keinen Fall!

Das Ventil war da, die Musik konnte aus meinem Kopf strömen. Und dort befand sich natürlich in erster Linie die Musik, die ich damals im Radio oder in der Fabrik gehört habe. So ist es auch kein Wunder, dass mein erster Track eine bunte Mischung aus folgenden Songs war:

  • Frankie Bones – We can do this (Brooklyn Storm Rave Mix)
  • Rotterdam Termination Source – Poing
  • DJ Hooligan – B.O.T.T.R.O.P.
  • Armageddon – You’ll never be mine
  • Vitamin – Cosmic Trash

Natürlich wusste ich von einem Teil die Namen der Tracks nicht, sondern hatte nur die Musik in meinem Kopf. Laut der Historie habe ich die letzte Änderung im Oktober 1993 an diesem Track vorgenommen.

Im Anfang 1994 arbeitete ich für ein paar Wochen in einer Computerfirma als PC-Schrauber. Immer wieder wurde mir versprochen, dass ich einen Vertrag bekomme. Doch von heute auf morgen hieß es, dass ein anderer angestellt wurde, ich kann gehen. Meine Bezahlung war RAM, ein CD-ROM-Laufwerk und später kam eine Soundblaster dazu. Was will man mehr? Arbeitslos und alle Grundlagen zur Musikproduktion.

Jetzt konnte ich natürlich von den CDs meine Samples rippen. Hilfreich war dabei Digiplay. Das war ein Editor für Samples. Das Tool konnte schon enorm viel, wie zum Beispiel Spezialeffekte wie Distorsion, Echo und Reverb. Da ich natürlich nur Samples von Songs klauen konnte, die es schon gab, waren die nächsten Songs auch nur Remixe.

Nächstes Level

Da ich mit diesem Umstand unzufrieden war, nahm ich eine ganze Menge Geld in die Hand und kaufte zwei Sample-CDs für zusammen 150DM inkl. der Rechte für Wiederverwendung etc. Und damit entstanden die nächsten Tracks, wo der qualitative Unterschied schon hörbar war.

Unter anderem entstand im September 1994 ein Remix auf meinen Track Modified. Im Dezember kam dann die Bonzai Fourth Level heraus und ich kam aus dem Staunen nicht mehr heraus. Mein Track klang genau so wie der Jones & Stephenson Remix von Overwhelming rain. Die Professionalität der Produktion lassen wir jetzt mal außen vor – ich hatte nach wie vor nur vier Spuren. Aber wie konnte das denn passieren?

Danach war ich erst mal beim Bund und es passierte lange Zeit nichts. Meine Geschichte der Musikproduktion geht dann erst Mitte 1996 weiter. Mittlerweile war es üblich, dass Computermagazine eine CD-ROM beilegten, wo Gratis- oder Shareware-Programme drauf waren. Und mit dabei – der Screamtracker. Musikalisch fühlte ich mich, als wenn ich aus einer Gefängniszelle in ein eigenes Haus umziehen konnte. Sechszehn Spuren waren jetzt möglich!

Nur hatte ich jetzt das Gefängnis in meinem Kopf. Mitte der 90er Jahre hörte ich auf Trance und Techno zu hören und schwenkte mehr in den analogen und experimentellen Bereich. Das heißt, ich hatte alle Möglichkeiten, die ich früher gebraucht hätte, hatte aber mittlerweile andere Musik in meinem Kopf.

Trotzdem machte ich weiter. Zwischen Mai 1996 und September 1997 entstanden über 30 neue Songs, die ich in eine fertige Form brachte. Zwischen Hardcore, Trance, House, Techno und experimentellen Klängen war für mich alles möglich. Alles was nicht fertig wurde, blieb als angefangene Datei auf der Platte liegen. Als es an die 100 Stück waren, entsorgte ich einen großen Teil und begann von vorn.

Wie jeder Musikproduzent wollte auch ich irgendwann mal das Ergebnis meiner Arbeit in meinen Händen halten. Nur leider waren CD-Brenner damals so abartig teuer, dass es oft so war, dass die Leute zusammenlegten, um sich einen zu kaufen. Außerdem schämten sie sich nicht, auch ordentlich Geld dafür zu verlangen, selbst wenn man die Rohlinge selber mitbrachte.

Zum Glück hatte ich die Möglichkeit über den Bruder der Freundin meines Kumpels Frank meine Musik mal zu brennen. Aber selbst das war abenteuerlich. Eine CD war ja 700MB groß und ich hatte gerade mal eine Platte, die 1GB war und dann war die auch noch partitioniert. Also räumte ich gründlich auf (Sicherung auf Diskette!) und exportierte die Musik für die erste CD. Ich weiß schon nicht mehr, wie wir es geschafft haben, dann auch die zweite CD noch fertig zu machen.

Finale

Meine dritte CD brannte ich dann schon selbst und diese war so geplant, dass sich dort die letzten Tracks mit dem Screamtracker befinden. Eigentlich sollte Album Nummer drei ein Konzeptalbum werden. Ich wollte Sound anders denken und raus aus der 4/4 Schiene. Ein Überbleibsel davon ist trotzdem mit auf Album drei gelandet – Der Maschinist. Ein Track, den ich komplett nur mit Drums und Effekt-Sounds zusammengestellt habe.

Danach begann ich mit einem Track, der eine polternde übersteuerte Bassdrum nutzte und dazu ließ ich eine Flötenmelodie laufen. Und während ich noch über einen Namen für den Track nachdachte und mir nichts besseres einfiel als „Der Flötenschlumpf“, wusste ich, dass ich fertig bin. Bitte nicht nachfragen – nein, der Track wurde gelöscht und ist für immer weg.

Größtenteils folgten jetzt Experimente mit Rebirth, die ich schon in einem eigenen Beitrag verarbeitet habe. Außerdem machte ich noch Gehversuche mit Reason, was auch aus der Softwareschmiede kam, die Rebirth machten. Jeskola Buzz fand ich als Software zwar nicht ansprechend, aber dort fand ich mich wieder, weil ich im Screamtracker-Stil Geräte ansprechen konnte. Ist zwar wegen der Plugins pausenlos abgestürzt, aber der Spaß war da.

Danach fehlte mir dann einfach die Zeit, mich mit Musikproduktion zu beschäftigen. Vom heutigen Standpunkt aus betrachtet, habe ich mich nie als kreativen Musiker gesehen. Sondern ich habe immer Sachen, die ich gehört habe, nachgebaut. Manchmal auch so unbewusst, dass es viele Jahre gedauert hat, bis ich die Referenz dazu gefunden habe. Bestes Beispiel ist dafür der Track Beyond Lightspeed, der die Hintergrundmelodie von Depeche Modes Behind The Wheel aufgreift.

  1. Ja, bitte noch eine Folge. Offenbar ist ja noch Material vorhanden und dann taucht vielleicht auch der Flötenschlumpf wieder auf! 🙂

    • Jan Jan

      Okay, dann wird es eine zweite Folge geben. Das Verrückte daran ist, dass ich im Kopf die Folge schon wieder komplett fertig habe.
      Aber ich kann ja schon mal zusammenschreiben, um was es gehen wird.
      – Wie entstand damals eigentlich so ein Track?
      – Die EP, die keine geworden ist
      – Klangspiele (und nein, der Flötenschlumpf ist nicht dabei)
      Dafür habe ich echt schon überlegt, das Teil zu kaufen, damit ich mal meine alten HDDs auslesen kann. Vielleicht finden sich dann noch alte Schätze…

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