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Einmal Ibiza

Jan 0
geschätzte Lesedauer: 9 Minuten

Einmal Realitätsabgleich bitte! Ich fliege nach Ibiza und vergleiche meine Vorstellung von meiner Idee aus den 90ern mit der Realität. Wie viel Traum ist noch übrig?

Einleitung

Mich verbindet mit Ibiza ein unsichtbares Band seit den frühen 90ern. Da war natürlich initial der Klassiker Café del mar von Energy 52 von 1993. Und natürlich legte jeder namhafte DJ dort auf. In meiner Phantasie gingen die Partys bis in die frühen Morgenstunden und dann setzte man sich an den Strand und ließ dort die Feier langsam ausklingen.

Natürlich war Ibiza immer ein teures Pflaster. Meine Version von Ibiza war ein Kroatienurlaub 1997 mit Freunden für 350 DM, wo wir uns abends auf den Balkon hockten, Skat spielten, während im Fernseher Nalin & Kanes Beachball rauf- und runterlief. Und jetzt war es soweit, ein Flug mit Ryanair brachte uns von Bologna nach Ibiza. Wie würde wohl die Realität aussehen? War Ibiza wirklich so ein Paradies?

Anreise

Bis es soweit war, mussten wir noch etwas zittern. Auf dem Flughafen angekommen, stand unser Flug schon mit Verspätung da. Der Flughafen war voll bis Anschlag, weil jede Menge Flüge gingen. Plötzlich stand der Flug wieder auf normaler Flugzeit, dann wechselte er noch mal das Gate. Unterm Strich ging er dann doch etwas verspätet, sodass wir garantiert nicht mehr den letzten Bus nach Sant Antoni schaffen würden.

Blick auf die Kathedrale von Ibiza / Eivissa Stadt
In der Burg von Ibiza Stadt ist die Kathedrale der höchste Punkt

So kamen wir an, machten gar nicht lang rum, sondern gingen direkt zum Taxistand und nahmen ein Taxi. Wir ließen uns am zentralen Kreisverkehr von Sant Antoni absetzen, zahlten knapp 40 Euro und liefen zum Hotel.

Es war kurz vor Mitternacht, die Zeit, wo die Partys beginnen. Also sahen wir Partygäste, die loszogen, aber auch welche, wo der Abend schon viel zu lang war. Und wenn man aus einer Stadt mit einem gewissen Anzugscodex nach Ibiza kommt, ist das schon ein Kulturschock. Kennt ihr die Schutznetze von Papayas, damit sie keine Druckstellen bekommen? Stellt euch das als Minirock bei Frauen vor, die dazu nur einen Bikini anhaben. Und die Männer größtenteils oben ohne, und das überall. Im Hotel, auf der Straße, in Restaurants.

Cala Tarida am Morgen
Cala Tarida

Wir liefen zu unserer ersten Unterkunft, der Rita Hostal Boutique. Der erste Eindruck in der Lobby täuscht, die Zimmer sind richtig schön, praktisch und modern. Wir legten uns sofort hin und schliefen ein. Der Vorteil von dem Hotel ist, dass es dort nicht viele Partygäste gibt und es deshalb doch relativ ruhig bleibt.

Am Morgen machten wir erst mal einen Erkundungsspaziergang zum Café del mar und dann gingen wir einkaufen. Frisch gestärkt schnappten wir unsere Badesachen und fuhren mit dem Bus zum Cala Bassa. Dort war es schon sehr voll und wir bekamen mit Mühe einen Platz. Da es keinen Schatten gab, liehen wir uns einen Schirm und blieben eine Weile.

Weinglas durch das die untergehende Sonne scheint
It’s all about the sunset!

Nachdem wir zurück in Sant Antoni waren liefen wir noch etwas durch die Stadt. Die Hinweistafel mit Thermometer zeigte unbarmherzige 35°C. Es half nichts, wir hatten trotzdem ein Date.

Café del mar

Grundregel im Café del mar – Reservieren! Ich hatte schon zwei Wochen vorher den Termin fix gemacht und von daher hatten wir einen schönen Platz. Etwas merkwürdig mutet die Regelung mit dem Mindestverzehr an, aber bei den Preisen, die das Restaurant aufruft, schafften wir die 40 Euro pro Person locker. Wir hatten auf 19 Uhr bestellt, ließen erst mal ein Getränk kommen und bestellten dann später Essen.

Sonnenuntergang im Café del mar
Alles versammelt sich, um den Sonnenuntergang zu sehen

War auch besser so, denn sonst wäre es noch viel zu heiß zum Essen gewesen. Ich ließ mich in meinen Stuhl sinken, hörte den entspannten Downtempo-Beats zu, beobachtete die vorbei laufenden Menschen und genoss einfach die Atmosphäre. Nach dem Essen bestellten wir noch eine Runde Getränke und schauten zu, wie sich die Sonne langsam dem Horizont näherte.

Ich habe schon viele Sonnenuntergänge auf der ganzen Welt gesehen, aber das hier war wirklich noch mit Abstand besser. Die Musik, die Atmosphäre und die Reinheit des Sonnenuntergangs waren atemberaubend. Bisher kannte ich die Sonne immer als verzerrten Ball, der im Meer abtaucht. Hier setzte ein astreiner Kreis an und verschwand am Horizont.

Farbenspiel am Café del mar nach Sonnenuntergang
Man kommt wegen dem Sonnenuntergang und bleibt wegen der Musik

Und danach der Jubel und der Applaus, mit einer Mischung aus Erleichterung und Euphorie. Ich lief noch ein paar mal herum und machte jede Menge Bilder und Videos, um mich immer wieder erinnern zu können. Selbst meine Frau, die sonst nichts mit meiner Musik am Hut hat, gestand später, dass sie am liebsten den nächsten Abend gern wieder hingegangen wäre, trotz aller Kosten.

Paul Oakenfold im Eden

Nach dem Café del mar stand jetzt unser Partyabend an. Wenn man sich das Line-Up in der Zeit ansieht, wo wir auf Ibiza waren, standen da auch jetzt die großen Namen: David Guetta, Martin Garrix, Calvin Harris. Nur dass es nicht die Helden meiner Musik sind. Außerdem wurde dafür Preis von 70 Euro und mehr aufgerufen. Ich hielt den Ball flach und wählte Paul Oakenfold im Eden.

Leere Tanzfläche im Eden
Wir sind mit die Ersten im Eden

Paul Oakenfold ist seit den späten 80ern fest mit Ibiza verbunden und für Großbritannien das, was ein Paul van Dyk für Deutschland ist. Die meisten Partys starten um Mitternacht. Deswegen machten wir uns kurz vor Mitternacht auf den Weg zum Eden. Natürlich waren wir zu früh da und wir mussten noch ein paar Minuten warten.

Aus meiner Jugend kannte ich es noch so, dass der Laden so gegen 22 Uhr aufmacht, die Party so gegen Mitternacht ans Laufen kommt und gegen 2 Uhr kommt dann so der Haupt-Act in Aktion. Von daher rechnete ich eigentlich so damit, dass Paul Oakenfold sich wohl nicht vor 3 Uhr blicken lässt. Wir waren wirklich mit die ersten die drin waren und konnten noch Bilder von einem leeren Eden machen.

Paul Oakenfold an den Decks
Paul Oakenfold an den Decks

Ungefähr eine halbe Stunde später lief Paul Oakenfold schon hinter uns Richtung DJ Pult, was mich doch sehr überraschte. Kurz nach 1 Uhr übernahm er dann und zeigte sein Können. Von den versprochenen Klassikern hörte man relativ wenig. Dazu höre ich zu viel Musik, um selbst bei unbekannten Tracks entscheiden zu können, was alt und was neu ist. Zumindest spielte er Café del mar, wenn auch in einem der neuen 2023er Remixe.

Mittendrin taucht auch Marea (We’ve Lost Dancing) von Fred Again.. auf. Der Track dreht sich um eine Aussage von Marea (The Blessed Madonna), die 2021 in einem Interview gleichzeitig die Situation der Isolation, aber auch die Hoffnung auf Besserung der Pandemie beschreibt. Und mir wird schlagartig klar, dass wir wieder reisen können, ohne Abfragen, dass alle wieder gemeinsam feiern können. We’ve lost dancing war Vergangenheit.

Im Laufe des Abends hatten wir dann auch Durst und teilten uns eine 0,33l Dose Wasser, die man für 10 Euro kaufen kann. Da wir am nächsten Tag das Hotel wechseln mussten, hatten wir schon geplant, dass wir gegen 4 Uhr wieder abhauen und ins Bett gehen. Klappte auch so ungefähr. Irgendwann gegen halb 5 Uhr schliefen wir dann ein.

Strände

Natürlich können wir nicht lange schlafen. Wir wachten gegen 9 Uhr auf, packten zusammen, lagerten unsere Rucksäcke ein und gingen zum Stadtstrand von Sant Antoni. Mit dem S’Mari cocina bar hatten bisher immer sehr gut gelegen, deswegen nahmen wir an dem Tag dort das Tagesmenü, was für 16 Euro richtig üppig ausfiel.

Die Bar Kumharas auf Ibiza
Das Kumharas ist bereit für den Sonnenuntergang

Danach nahmen wir Abschied und zogen um – ins Aparthotel Vibra San Marino. Und deswegen jetzt ein Hinweis:

Finger weg von Vibra Hotels! Vibra ist eine Kette, die überall auf Ibiza Hotels hat. Aber das Schema war, soweit wir in Vibra Hotels untergebracht waren, immer das gleiche.

  1. Der Fußboden ist gefliest. Ein Teppich würde Lärm schlucken, Fliesen reflektieren ihn.
  2. Die Wände sind hauchdünn.
  3. Laut Rezeption ist immer alles ausgebucht.

Die Gäste kommen und gehen rund um die Uhr. Man hört sie im Zimmer oder auf dem Gang reden, selbst wenn sie sich Mühe geben, leise zu sein – Stichwort Fliesen. Die Türen knallen mit einer bemerkenswerten Lautstärke zu. Dazu gesellt sich ein Echo, dass den gesamten Gang entlang hallt.

Unterm Strich bekommt man so in der Nacht vielleicht zwei Stunden ruhigen Schlaf hin. Ansonsten schreckt man hoch, weil eine Tür knallt, jemand mit Absätzen den Flur runter läuft oder im Zimmer nebenan, drüber, drunter noch etwas gefeiert wird. Oder weil eine größere Hauptstraße direkt neben dem Hotel entlang geht.

Deswegen hatten wir auch das Hotel schon Tage vorher angeschrieben, dass wir ein ruhiges Zimmer in einem oberen Stockwerk haben möchten. Ergebnis – wir bekamen den ersten Stock, wo wir nicht nur die Hauptstraße hörten, sondern auch direkt noch die Seitenstraße, wo die Autos mit ihren Subwoofern darauf warteten, fahren zu können.

Hatten wir die Fenster zu? Ja, trotzdem konnte man problemlos Leute draußen reden hören. Fliegengitter wären genauso schallschluckend wie diese Fenster.

Genug gemeckert. Den Nachmittag machten wir eine kleine Küstenwanderung. Wir liefen zur Küstenhauptstraße und diese entlang, bis sich ein Weg entlang der Küste abzweigte. Dort liefen wir bis zum Es Port d’Es Torrent. Es war schon später Nachmittag und wir hatten jede Menge Platz. Dort legten wir uns hin und blieben bis ca. 18.30 Uhr.

Cala Salada von oben
Um zum Cala Salada zu kommen, muss man über die Felsen klettern

Dann machten wir uns auf den Rückweg, an der Küste entlang. Plötzlich standen wir am Kumharas. Das sah doch mal gemütlich aus. So wie wir waren, setzten wir uns hin und tranken etwas. Relativ schnell füllte sich der Laden und uns war klar: Das hier war ein weiteres Sonnenuntergangscafé. Also folgte der ersten Getränkerunde eine zweite, bis letztlich die Sonne wieder spektakulär unterging. Die Musik war ähnlich entspannt, etwas mehr in die Dub-Richtung gehend.

Den nächsten Tag nahmen wir wieder den Bus und fuhren zum Cala Salada. Ein herrlicher Strand, für den man eine kleine Wanderung machen muss, aber es lohnt sich auf jeden Fall. Glück für alle die, die bereits vor dem ersten Bus schon da sind, denn die raren Plätze füllen sich schnell. Wir blieben bis zum Mittag und fuhren dann zurück nach Sant Antoni. Mittagessen – leider versagte unser Lieblingsrestaurant auf der gesamten Linie.

Nachos und Bier bei Sonnenuntergang
Die Nachoportion reicht locker für zwei

Kein Problem, denn am Abend waren wir wieder im Kumharas, teilten uns eine von den riesigen Nacho-Portionen mit gebratenem Hack. Das reichte locker für zwei. Dritter Abend und der Sonnenuntergang enttäuschte nicht.

Es folgte unser letzter Tag auf Ibiza. Wir verstauten früh die Rucksäcke und fuhren zur Cala Tarida. Auch ein sehr schöner Strand. Mittag wieder zurück, Rucksäcke abholen, noch eine Kleinigkeit zu Essen aus dem Supermarkt holen und dann so Richtung Bus laufen, der uns nach Eivissa bringt.

Eivissa

Dazu erst mal ein Vorwort. Ibiza ist der spanische Name für die Insel. Und demzufolge heißt die Stadt auch Ibiza Stadt. Aber auf Ibiza wird katalanisch gesprochen und somit ist der Name der Stadt genau wie für die Insel Eivissa.

Blick aufs Meer bzw. Eivissa / Ibiza Stadt
Die Altstadt zu entdecken ist einfach schön

Auch in Eivissa haben wir wieder ein Vibra-Hotel – das Vibra Panoramic. Selbes Spiel, schlafen konnten wir nicht wirklich. Aber diesmal sind wir rechtzeitig da, können sofort aufs Zimmer und müssen danach einen Gang herunterschalten. Es ist immer noch sehr heiß und wir wollen den Hügel am späten Nachmittag besteigen. Also trinken wir erst mal einen Kaffee.

Alles in allem dauert unsere Besichtigung des Hügels eine Stunde. Das reicht auch und wir kehren zurück zum Strand in der Nähe unseres Hotels. Warum uns die eine Bar nicht im Schatten sitzen lässt, verstehen wir nicht, also ziehen wir bald um. Deswegen landen wir im El Principe, wo ich dann endlich zu einer Paella komme, die auch noch ausgezeichnet ist.

Altes Gebäude bewachsen mit blühenden Pflanzen
Versteckte Winkel gibt es in der Altstadt jede Menge

Sonnenuntergänge gibt es hier nicht, da es Ostküste ist, aber es ziehen auch Wolken auf. Wir packen unsere Sachen final zusammen und laufen am nächsten Morgen zum Busbahnhof. Dort steigen wir in den Bus, der uns lang und umständlich zum Flughafen fährt.

Fazit

Und wie war es nun so? Natürlich kann ich es mit einer rosa Brille sehen. Aber das Unberührte ist verloren gegangen. Alles ist durchkommerzialisiert und der Kultstatus kommt einen teuer zu stehen. Wir fragen uns mehrfach, wie sich die jungen Leute das alles leisten können. Wir sehen junge Paare, wo das Verträumte und die Realität knallhart auf einander treffen. Der erste gemeinsame Urlaub, wo die Schale zu bröckeln beginnt und die Wahrheit ans Licht kommt. Wir hören vom tragischen Tod eines 22-jährigen, der den Sturz vom 3. Stock eines Hotels nicht überlebt hat. Da sind junge Menschen, die ihre Grenzen austesten wollen, da sind Eltern, die ein Kind verloren haben. Wir laufen eine Stunde nach dem Unglück am Hotel vorbei. Und trotzdem ist am Abend, als wäre nichts gewesen.

Wir schauen auf die Preisliste des Ushuaia, wo eine Nacht 650 Euro kostet und fragen uns, wer das zahlen will oder kann. Diese Preise setzen sich fort bei Partys, Bars, Restaurants. Aber lässt man alle diese Dinge beiseite und setzt sich abends zum Sonnenuntergang, ist es dann wieder da – das Magische. Und wenn meine Frau mit ihrem Buch zu mir ins Zimmer kommt und sagt: „Mach mal Café del mar Musik an!“ und dann entspannt liest, merkt man – Ibiza berührt!

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