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A wie Aphex Twin

Jan 0
geschätzte Lesedauer: 4 Minuten

Ein kleiner Teaser für das kommende 2020. Ich habe mir für das neue Jahr vorgenommen, ein kleines ABC der elektronischen Musik zu liefern, d.h. 26 Beiträge über Künstler, Labels, Stile usw. Los geht es mit A. Ohne lange nachzudenken, fällt mir Aphex Twin ein. Eins der Pseudonyme von Richard D. James, dessen Musik mich sehr beeinflusst hat.

Jeden Beitrag gibt es auch als Podcast, der etwas umfangreicher als der Eintrag auf dem Blog ist. Untermalt wird das natürlich von der Musik, über die ich hier erzähle.

Für meine Geschichte zu Aphex Twin müssen wir die Zeit ein ganzes Stück zurück drehen. Beginnen wir in den frühen 90ern. Damals kam im Musikfernsehen Musik. Und Musikfernsehen hieß MTV. Samstag Abend Party Zone mit Simone oder danach Chillout Zone. Je nachdem, wann man heim kam. Mit dabei war immer das Video zu „On“. Wobei mir das Video weniger gefiel, ich mochte die Mischung des leicht perlenden Klaviers zusammen mit dem brachialen Gewummer der Bassdrum.

Meine erste CD von Aphex Twin war die „Selected Ambient Works II“. Eine CD ohne Titelbeschreibung nur mit Bildern. Und die Dechiffrierung war einem selbst überlassen, denn 1994 war kein Internet, das man fragen konnte. Immer wieder holte ich das große zusammen gefaltete Cover heraus und grübelte über den Bildern und den geteilten Kreisen. So ist es auch kein Wunder, dass ich erst viel später realisierte, dass jemand, der die CD vor mir im Laden gehört hat, beide CDs vertauscht hat. So hörte ich immer CD2 in der festen Überzeugung, es wäre die erste CD. Ich probierte auch mal eine Zeit lang aus, nachts zur „Selected Ambient Works II“ zu schlafen, was wegen der bizarren Soundgebilde eher schlecht funktionierte. Der Eindruck wurde noch verstärkt, als ich das erste Mal den Film „Westworld“ sah, die Klänge von der SAW II mit den Bildern von Schönheit und Zerstörung kombinierte.

Da es kaum Musikläden in Dresden gab, welche die Nische „elektronische Musik“ und „CD“ bedienten, war ich auf ein analoges ebay angewiesen. Einmal monatlich erschien ein ca. 100 Seiten starkes Blatt mit Privatanzeigen mit Musik. Und da fand ich die „Selected Ambient Works 85-92“ für einen stolzen Preis von 35 DM. Wie damals üblich telefonierte ich mit dem Verkäufer. Wenn ich mir überlege, wie lange das damals gedauert hat! Überweisung ausfüllen und per Brief an die Bank schicken. Dann hat die Gegenseite ungeduldig am Kontoauszugsdrucker gewartet, bis das Geld da war. Deswegen haben wir regelmäßig telefoniert, bis die CD dann endlich bei mir war. Das Warten als auch der Preis haben sich echt gelohnt. Die SAW 85-92 ist ein Werk, was ich bedenkenlos empfehlen kann.

Dann war ich 1994/95 beim Bund. In einem kleinen CD-Laden in Regensburg holte ich mir dann die „… I care because you do“. Das Prinzip von „On“ in Fortsetzung. Rauhe Beats zu leichten Melodien. Richtig Bewegung in meine Sammlung kam 1996. Denn da baute die Musikabteilung im Karstadt ein Computerterminal auf, über das man Musik suchen und bestellen konnte. So erweiterte ich meine Sammlung um die Ventolin + Remixe.

Als dann Ende der 90er Jahre ein Mediamarkt in der Nähe öffnete, wurde das Kaufen von Musik zum Kinderspiel. Es folgten die „Classics“, die „Girl/Boy EP“ und natürlich „Richard D. James Album“. So auf lange Sicht gesehen ist dieses immer noch mein Lieblingsalbum von ihm (von den SAW mal abgesehen). In meinen Augen der Höhepunkt seines Schaffens. Hier erreichten Komplexität der Drumprogrammierung und seine typischen Melodien ihren Höhepunkt.

Wie sonst sollte man die lange Lücke zwischen 1997 und 2001 erklären, die zwar mit erfolgreichen EPs wie Windowlicker gefüllt wurden, aber kein Album erschien? Es hatte sich mittlerweile eine große Fangemeinde gebildet, die sich in Internetforen austauschte. Da so lange kein Album erschien, spekulierte man dort, ob das 2001 erschienene „Drukqs“ nur zur Erfüllung des Vertrags mit Warp diente. Andere hatten die Geschichte gehört, dass er seinen MP3-Player mit seiner gesamten Musiksammlung verloren hatte und dieses Album erschien, um ein Leaken im Internet vorzubeugen.

In meiner Aphex-Twin-Geschichte sollte 2005 nicht fehlen. AFX entschloss sich, die Hangable Auto Bulb I + II zusammen auf CD zu veröffentlichen. Hochgradig limitierte Platten, die 1995 erschienen waren und später für teures Geld zu ersteigern waren. Ich berichtete in einem Blogeintrag über die Wiederveröffentlichung. Wie beschrieben, entstand eine lebhafte Diskussion.

Alles was nach „Drukqs“ kam, fiel dann in die Schublade „Analog“. Da sein Pseudonym „Aphex Twin“ fest mit Warp gekoppelt war, erschienen parallel als AFX EPs auf diversen Labels. Erwähnenswert sollte hier unbedingt die Serie „Analogue Bubblebath“ sein. Ein guter Zeitpunkt, um auch über seinen Stil der Veröffentlichung zu sprechen. Es existierten immer Gerüchte über erschienene Platten, die nie kamen. Genau wie er immer wieder sagte, dass er ewig viele Tracks auf Halde hatte. Deswegen stempelten ihn nicht wenige als Dampfplauderer ab, nicht zuletzt weil er auch behauptete einen Panzer zu besitzen und in einem alten Bankgebäude in London zu wohnen.

Ich bleibe noch mal einen Moment beim Stichwort „Analog“ hängen, denn die Analord-Serie hatte ich genau zum richtigen Zeitpunkt erwischt, denn ich konnte über Internetdistribution die gesamte Serie mein Eigen nennen.

Von 2007 aus kann ich eigentlich bedenkenlos einen Sprung in die jüngere Vergangenheit machen. Die Releases liefen immer nach dem gleichen Schema ab: Irgendwo tauchte ein Aphex-Twin-Logo auf, um die Diskussion anzuregen und kurze Zeit später folgte dann der Release. Alles blieb aber in dem Rahmen, den er mit der Analord-Serie abgesteckt hatte.

Im frühen 2015 geschah dann das Unglaubliche. Innerhalb weniger Wochen begann ein Unbekannter bei Soundcloud Dutzende Tracks hochzuladen, die nach Aphex Twin klangen. Kurz darauf wurde aus seinem musikalischen Bekanntenkreis bestätigt, dass es von ihm sein könnte. Als die Identiät bestätigt wird, ist das Feedback enorm. Nach über 200 Titeln ist dann plötzlich Schluss. Ich vermute, es wurde ihm einfach zu viel, weil statt sich einfach über die Titel zu freuen, ging es nur noch „Hör dir das mal an!“, „Kannst du nicht … veröffentlichen?“ und „Wann wird das veröffentlicht?“

Ohne mich in Spekulationen verwickeln zu wollen, schließe ich den Artikel mit den Empfehlungen ab, auch den audiovisuellen Aspekt nicht zu vergessen. Besonders sehenswert halte ich seine Videos, die in Zusammenarbeit mit Chris Cunningham entstanden sind, besonders „Come to Daddy“ und „Windowlicker“. Wobei ersteres einen Grad von „bizarr“ hat, der Menschen, die sich noch nicht mit Aphex Twin beschäftigt haben, garantiert erstmal vor den Kopf stoßen dürfte.

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