Unsere Reise mit der TransSib von St. Petersburg nach Irkutsk war eine Mischung aus Langeweile und Katastrophe. Zum einen passiert schon so nicht viel, aber wenn es einen Unfall auf der Strecke gibt, wird es zur endlosen Reise.
Gutgelaunt stiegen wir in unseren Wagon, bezogen unser Abteilung und es hatte ganz den Anschein, dass wir darin allein waren. In anderen Berichten war von Armeeangehörigen bzw. Alkoholikern die Rede, sodass die Fahrten in Saufgelage ausarteten. Auch Roman (siehe Eintrag St. Petersburg) antwortete auf unsere Frage, welche Leute mit der TransSib fahren: Die, die kein Geld haben. Denn Fahren ist für Armeeangehörige und deren Familie sowie für verschiedene Mitarbeiter gratis. Und wer sich keinen Flug leiten kann, aber mit der Bahn gratis fahren darf, nimmt halt diese.
Dazu muss man sagen, dass wir die gewöhnliche TransSib nahmen. Es gibt auch noch die Ausgabe für Touristen, die aber wesentlich teurer ist. Dort gibt es dann aber auch mehrere Stufen zwischen Touristenklasse und „wie der Zar“.
Im Lonely Planet haben wir immer von der provodnitsa gelesen – die Zugbegleiterin. In unserem Fall war es ein kleiner, rundlicher Mann mit lustigen Kulleraugen. Er sah immer in die Abteile, hielt mit den Leuten ein Schwätzchen, kümmerte sich drum, dass alles lief und schaute auch immer bei uns rein und fragte, ob alles Karascho ist. Natürlich war es das. Nachdem wir die erste Nacht in unserem Abteil verbracht hatten, waren wir erleichtert. Offensichtlich hatten wir das Abteil für uns.
Im Laufe des Vormittags des zweiten Tages wurden wir immer langsamer, hielten immer mal an und gegen 10 Uhr blieben wir auf einem Bahnhof stehen. Anfangs noch ruhig, aber nach einer Stunde immer nervöser liefen die Leute unschlüssig umher. Auf Nachfrage erfuhren wir (erklärt mit Händen und Füßen), dass es ein Unglück gegeben hat und 6 Wagons umgekippt sind. Die Strecke wäre gesperrt und wir müssten einen Umweg fahren. Ab 14 Uhr begann die Reise ins Ungewisse. Bis zum nächsten Morgen wussten wir nicht, wo wir waren und wie viel Verspätung wir hatten. Als wir die nächste bekannte Station Kirov anfuhren, waren wir im Bilde: 21 Stunden Verspätung.
Zu Beginn der Reise gab es ein Paket mit Verpflegung. Als sich die Verspätung andeutete, kam unser Zugbegleiter rein und brachte uns noch ein zweites Paket. Also hungern mussten wir nicht. Wie ich anhand der Bahnhofsschilder mir zusammen reimte, waren wir fast bis Moskau zurück gefahren und nahmen nun die Moskauer Strecke.
Und so fuhren wir weiter, draußen wechselten sich Birken- und Nadelwälder mit weiten Flächen ab, gelegentlich eine Ortschaft mit hübschen und halb verfallenen Holzhäusern. Immer wieder hatte ich bei den verlassenen Wäldern das Gefühl, gleich taucht das Hexenhaus auf dem Hühnerfuß auf und die Hexe Babajaga schaut heraus. Mal regnete es, mal schien die Sonne. So lief es auch die nächsten beiden Tage – essen, lesen, Musik hören, schlafen. Und jeden Abend bereiteten wir alles vor, falls jemand einsteigt. Nur nicht vor der 4. Nacht und *rumms* ging früh halb 5 Uhr die Tür auf und wir hatten Besuch. Ausgerechnet am letzten Tag! Jeder Besuch im Zoo bei Tigern ist angenehmer, wie 15 Stunden Zug mit ungewaschenen Mitfahrern, die sich die Hornhaut von den Füßen popeln.
Die Verspätung ließ immer weiter nach, wir holten ingesamt 8 Stunden wieder auf… Also wir also mit 13 Stunden Verspätung ankamen, war es mitten in der Nacht in Irkutsk. Natürlich hatten wir eine Buchung für ein Hostel. Ein Taxifahrer brachte uns für 400 Rubel bei strömendem Regen hin. Natürlich war unsere Reservierung weg, aber wo sollten wir hin? Es gab noch einen Platz im Männer-Dorm und Kriszta kam im Verschlag unter, wo die Angestellten nachts mal ruhen können.